Das Perlenmaedchen by Barbara Wood

Das Perlenmaedchen by Barbara Wood

Autor:Barbara Wood
Die sprache: de
Format: mobi
Herausgeber: Fischer e-book
veröffentlicht: 2011-11-11T13:10:33+00:00


38

»Die Blume! Ich habe sie gefunden!«

Chac blieb stehen, schaute Tonina an. War das Haarlos, den sie da vorne hatten rufen hören?

»Kommt her! Schnell! Hier ist sie!«

Chac und Tonina ließen ihre schweren Säcke fallen und rannten den Bergpfad entlang. Einauge, der ein paar Schritte hinter ihnen ging, stellte ebenfalls seinen Sack ab. Sie waren die Einzigen, die diesmal auf den Ruf von Haarlos reagierten. Alle anderen waren es leid, schon wieder wegen einer angeblichen Entdeckung der vermaledeiten roten Blüte aus dem Häuschen zu geraten; lieber nutzten sie die Gelegenheit, eine kleine Pause einzulegen, sich im Dschungel ein Plätzchen für ihre Notdurft zu suchen, Babys zu stillen oder sich über ihr schweres Los zu beklagen. Das Übliche eben.

Auch Einauge blieb zurück, half H’meen, die nicht größer war als er selbst und deren Transportkorb allmählich ihre Schenkel aufscheuerte, vom Rücken ihres Trägers herunter und passte auf, dass Poki sich nicht zu weit entfernte. Dreimal schon war das zutrauliche Hündchen mit Giftschlangen in Berührung gekommen und hatte nur knapp überlebt.

Als Chac und Tonina bei Haarlos anlangten, der nicht allzu weit entfernt auf dem Pfad innegehalten hatte, deutete dieser auf einen hohen Strauch. »Hier!«, rief er. »Bei den Göttern! Das ist sie!«

Toninas Schultern sackten nach unten. »Das ist eine Fuchsie«, sagte sie. »Sie wächst auch auf der Perleninsel.«

»Aber sie deckt sich mit deiner Beschreibung.«

»Die Blütenblätter sind anders geformt und außerdem zu lang. Jedenfalls ist das nicht die Blume, die ich suche.« Sie dankte Haarlos, bedachte ihn mit einem Lächeln und kehrte zur Gruppe zurück.

Dass sie enttäuscht war, ließ sie sich nicht anmerken. Zweiundvierzig Tage hatten sie benötigt, um die Region Copán zu erreichen. Es war eine beschwerliche Wanderung über Hügel und Täler gewesen, durch mannshohe Farnstauden, vorbei an Schlingpflanzen und über Baumwurzeln, die wie Schlangen aus dem Erdreich drängten. Nur selten fiel ein Sonnenstrahl durch das Laubwerk über ihnen. Und dieses nie endende Grün – noch nie hatte Tonina so viel Grün gesehen. Moos, Flechten, Gras, Laub. Selbst grüne Orchideen und grüne Baumstämme gab es. Papageien in allen Grünschattierungen. Dazu ständig Lärm. Affen mit unglaublich langen Armen schwangen sich von Ast zu Ast und kreischten auf die Eindringlinge hinunter. Baumfrösche und Zikaden wetteiferten darum, die Lautesten zu sein, Schlangen zischelten aus ihren Verstecken. Kakerlaken, die größer als Mäuse waren, huschten ihnen über den Weg, Schmetterlinge so groß wie Fledermäuse stoben von den Bäumen auf – Tonina kam es vor, als präsentierte sich die Natur in ihrer ausuferndsten Form.

So lange schon in dieser wild wuchernden Vegetation unterwegs – und noch immer hatten sie die rote Blume nicht gefunden.

Einen Hoffnungsschimmer hatte es gegeben, einige Tage zuvor, als sie den südöstlichen Rand der Region Quatemalán erreichten, wo die Hügel in eine Küstenebene übergingen und sie auf einen Fluss stießen, der in eine Bucht mündete. Beim Anblick von Kokospalmen, von Sandstränden, von Hütten, die wie die auf der Perleninsel mit Stroh gedeckt waren, sowie der vielen Kanus, die den Fluss hinauf und hinunter zogen, hatte Tonina den Atem angehalten. Und als sich herausstellte, dass viele Bewohner entlang des Flussufers



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