Das Paradies by Andrea Hünniger
Autor:Andrea Hünniger [Hünniger, Andrea]
Die sprache: deu
Format: mobi
Tags: Belletristik/Romanhafte Biografien
Herausgeber: Tropen-Verlag Label von Klett-Cotta
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00
»Peter«, sagt Egon, »was habt ihr da gemacht? Gewinnen hätte man’s doch können. Was war da oben los in der Kampfgruppe?« Egon dreht sich zu den alten Männern, die nicken viel, mein Vater muss etwas lauter sprechen, damit er über mich, Birgit, Michel, über den Pfarrer und die Witwe auch für Egon zu hören ist. »Na ja«, sagt mein Vater. Egon winkt ab: »Im Grunde stand die Mauer zehn Jahre zu lange. Ich bin ja eigentlich froh, dass se weg is. Das Land gehört jetzt wenigstens wirklich uns.« Er lacht ein kurzes, lautes »Ha«.
»Wir standen ja schon vorher mit der Kampfgruppe oben auf dem Ettersberg, da auf dem Parkplatz von Buchenwald. Da hatten wir trainiert mit der Kampfgruppe.«
»Auch so’n Verein«, sagt Egon, vom dem wir nur den Rücken sehen. Ich meine aber, sein Grinsen zu hören. »Frühjahr bis Herbst 89 haben wir immerhin sechsmal trainiert. Ich hatte das schwere Maschinengewehr. Die andern die Kalaschnikow. Die war viel leichter. Also, für mich war das sehr anstrengend. Die Verpflegung war immer gut.«
»Um die hab ich mich ja auch gekümmert«, sagt einer der Alten, der eine besonders gelbe, faltige Haut im Gesicht hat. »Erster Sekretär. Meine Herrschaften. Im Besitz des Ehrenbanners der Partei. So.«
»Die Verpflegung wurde aber später schlechter.«
»Na na.«
»Wir haben da schon angefangen, Sperrketten zu üben.«
»Auf dem Parkplatz in Buchenwald? Das ist ja, na ja, eigenartig«, sagt der Pfarrer.
»Warum? Das ist nun mal freies Gelände«, sagt einer der Alten, der Erste Sekretär.
»Na ja, Buchenwald, Kampfgruppe, Sperrketten. Also …«
»Was wollen Sie damit sagen?«
Der Pfarrer widmet sich ganz der Witwe.
»Die meiste Zeit standen wir sowieso nur herum und es wurde auf irgendetwas gewartet«, sagt mein Vater.
»Idiotenverein«, sagt Egon. »Wir haben da schon längst klar Schiff gemacht in der Zentrale.«
»Im späten Herbst wurde da erst das Feldlager aufgebaut, wir haben auf einen Befehl gewartet und die Nacht wurde auf Stroh in Zelten verbracht. Wir hatten Probleme mit der Versorgung. Und es war kalt. Es gab eigentlich nur Minzlikör und Nordhäuser Doppelkorn. Schießübungen haben wir gemacht, um sich aufzuwärmen. Was sollte man sonst machen. Wir übten an der Waffe und warteten auf den Befehl zum Einsatz der Waffen gegen Demonstranten. Dachten wir uns ja, dass wir hier nicht zum Spaß oben waren und uns den Arsch abfroren. Wir diskutierten darüber. Wir wollten lieber nicht auf Demonstranten schießen. Waren ja alle Familienväter. Wir haben beschlossen, alle, den Befehl zu verweigern, und das auf einen Zettel gekritzelt und den an höhere Stellen weitergeleitet.«
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