Das Opfer der Witwe by Lisa Smedman

Das Opfer der Witwe by Lisa Smedman

Autor:Lisa Smedman [Smedman, Lisa]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2013-03-09T05:00:00+00:00


Aus einiger Entfernung sah Q’arlynd Leliana, Rowaan und den anderen Priesterinnen zu, die den Angriff der Drinnen überlebt hatten und jetzt singend unter einem Baum standen. Ihr Lied stellte den letzten Teil der Rituale dar, mit denen sich die Frauen von den sechs Gefährtinnen verabschiedet hatten, die durch die Hand des Judicators ums Leben gekommen waren. Normalerweise, hatte Rowaan Q’arlynd erklärt, bahrte man die Toten hoch oben in den Baumwipfeln auf, aber diesmal hatten die magischen Attacken des Judicators nichts übriggelassen, was man hätte aufbahren können. Die Priesterinnen hatten sich mit Kleidern und Rüstungen ohne jeglichen Inhalt begnügen müssen, die sie, zu Bündeln geschnürt, in den nackten Zweigen der Bäume zur Ruhe gebettet hatten, damit sie vom Mondlicht, »Eilistraees Tränen«, gewaschen würden.

Momentan hingen allerdings Wolken am Himmel, und auf die Bündel fiel kein Mondlicht, sondern Schnee. Bislang kannte Q’arlynd Schnee nur aus Büchern, er hatte davon gelesen, erlebte ihn aber hier zum ersten Mal. Das Zeug sammelte sich auf seinem Piwafwi wie eine dicke Schicht umherfliegender Blütensamen, nur dass diese »Samen« aus gefrorenem Wasser eiskalt waren und schmolzen, sobald sie mit der Haut in Berührung kamen. Die Nässe drang ihm durch Hemd und Piwafwi. Q’arlynd zitterte.

Als ihm der Wind den Schnee auch noch ins Gesicht trieb, kniff der Magier die Augen zusammen. Er begriff selbst nicht, warum er überhaupt noch hier stand und dem Gesang lauschte. Er war immer noch Außenseiter, obwohl er die Eide geschworen hatte, die ihm Zutritt zu Eilistraees Glauben gewährten. Aber Männer waren bei den heiligen Tänzen nicht willkommen und durften auch nicht in den Abendgesang einstimmen. Magie gewährte Eilistraee nur ihren Priesterinnen. Genau wie beim Glauben an Lolth spielten Männer auch hier lediglich eine unterstützende Rolle.

Wie die Mutter, so die Tochter, vermutete Q’arlynd.

Als die Stimmen verklungen waren und das Ritual endete, bat Q’arlynd Rowaan mit einer Geste, zu ihm zu kommen. Die Priesterin warf ihrer Mutter einen fragenden Seitenblick zu, und als Leliana daraufhin lediglich mit den Achseln zuckte, kam sie Q’arlynds Bitte nach. Ihre knirschenden Schritte gruben Löcher in den knöcheltiefen Schnee.

Als sie näher kam, begrüßte Q’arlynd sie mit einer knappen, aber respektvollen Verneigung. »Herrin?« sagte er. »Ist es mir gestattet, eine Frage zu stellen?«

»Nenn mich Rowaan. In Eilistraees Augen sind wir alle gleich.«

Was du nicht sagst, dachte Q’arlynd.

»Was willst du wissen?« fuhr Rowaan fort.

Q’arlynd holte tief Luft. Als Knabe hatte er diese Frage einmal einer Lolth-Priesterin gestellt und statt einer Antwort eine gründliche Tracht Prügel erhalten. Aber es interessierte ihn nun einmal brennend, was er nach seinem Tod zu erwarten hatte. Besonders jetzt natürlich, wo er Eilistraee als Schutzpatronin angenommen hatte. »Wie war es – tot zu sein?«

Rowaan ließ sich Zeit mit ihrer Antwort. »Du willst wissen, was dich in Eilistraees Reich erwartet«, meinte sie schließlich.

Q’arlynd nickte. »An wie viel kannst du dich erinnern?«

Rowaan schmunzelte. »Eigentlich nur an wenig. Mir wurde klar, dass ich tot war, als ich mich verlassen an einem grauen, ganz und gar leeren Ort wieder fand, auf der Ebene der Dämmerung. Um mich herum waren auch noch andere – andere Seelen, meine ich –, die ich aber weder sehen noch berühren konnte, nur fühlen.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.