Das Niebelungenlied by Bierwisch Manfred

Das Niebelungenlied by Bierwisch Manfred

Autor:Bierwisch, Manfred
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Suhrkamp Verlag
veröffentlicht: 2012-01-28T05:00:00+00:00


23. WIE ES KRIEMHILT GELANG, DASS IHRE BRÜDER ZU EINEM FEST KAMEN

In solcher Herrlichkeit lebten sie sieben Jahre. Inzwischen hatte die Königin einen Sohn geboren, der Etzels größte Freude war. Sie ließ aber nicht ab, ihm zuzusetzen, bis das Kind nach christlicher Sitte getauft wurde; es bekam den Namen Ortliep. Das fand im ganzen Land Beifall. Kriemhilt eignete sich alle Vorzüge an, die Helche eigen gewesen waren; in den Gebräuchen des hunnischen Hofes ließ sie sich von Herrât unterweisen, die heimlich um Helche trauerte. Bei den Fremden wie bei den Einheimischen war sie wohlbekannt. Sie rühmten ihr nach, keine Frau habe ein Königreich so fürsorglich und großzügig beherrscht; das war ihre feste Überzeugung. Dreizehn Jahre stand Kriemhilt in diesem Ruf bei den Hunnen. Sie hatte nun erkannt, daß niemand ihr Widerstand leistete (wozu Gefolgsleute sonst mitunter aufgelegt sind gegen die Frau des Königs) und daß sie immer zwölf Könige zu ihrer Verfügung hatte. Sie erinnerte sich an manches Leid, das ihr daheim zugefügt worden war. Sie dachte an die Macht der Nibelungen, die sie besessen hatte und die Hagen mit Sîfrits Tod ihr entwunden hatte, und ob sie ihm das jemals noch bitter entgelten könne. ›Das wäre möglich, wenn ich ihn hierher locken könnte.‹ Sie träumte, daß sie mit Gîselher Hand in Hand ginge. Sie küßte ihn oft im Schlafe; das sollte ihn in Bedrängnis bringen. Wahrscheinlich hat der Teufel ihr geraten, Gunther die Freundschaft aufzukündigen, den sie doch versöhnlich geküßt hatte in Burgund. Ihr Gewand wurde fleckig von Tränen. Von früh bis spät lag ihr auf der Seele, daß sie ohne ihr Verschulden mit einem Heiden leben mußte. Das hatten ihr Hagen und Gunther angetan. Sie verlor ihren Vorsatz kaum je aus den Gedanken. Sie dachte: ›Ich bin so mächtig und reich, daß ich meinen Feinden Leid zufügen kann, und bei Hagen würde mich das freuen. Und ich habe Sehnsucht nach meinen beiden getreuen Brüdern. Wenn ich meine Feinde hier hätte, könnte ich meinen Geliebten rächen. Ich kann es kaum erwarten.‹ So dachte sie. Alle Männer des Königs hatten ihr ihre Zuneigung geschenkt. Eckewart verwaltete die Schatzkammer und gewann ihr Freunde. Niemand konnte sich ihr widersetzen. Unablässig nahm sie sich vor, den König zu bitten, er möge ihr doch den Besuch ihrer Verwandten im Hunnenland gönnen. Niemand bemerkte ihre schlimme Absicht.

In einer Nacht, als sie bei dem König lag (er hatte sie umschlungen, sie war ihm so lieb wie sein Leben), dachte sie an ihre Feinde. »Mein geliebter Herr«, sagte sie, »ich möchte Euch gern bitten, mir zu beweisen, wenn ich das verdiene, wie Ihr meine Verwandten liebt.« Des Königs Herz war ohne Falsch, und er erwiderte: »Das will ich Euch wohl zeigen. Ich freue mich über alles Gute, was ihnen widerfährt, denn ich habe nie bessere Freunde durch die Ehe gewonnen.« Da sagte die Königin: »Ich habe viele edle Verwandte, wie Ihr wißt, und es schmerzt mich, daß sie mich nicht besuchen. Ich höre, daß mich die Leute immer nur ›die Fremde‹ nennen.« Etzel antwortete: »Meine liebe Frau, wenn es ihnen nicht zu weit ist, will ich gern jeden hierher einladen, den Ihr hier sehen möchtet.



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