Das Netzwerk by David Ignatius

Das Netzwerk by David Ignatius

Autor:David Ignatius [Ignatius, David]
Die sprache: deu
Format: epub, mobi
Tags: Spionage, Belletristik/Krimis, Thriller
Herausgeber: Rowohlt
veröffentlicht: 2013-01-22T23:00:00+00:00


25 Munzer Achmedow wohnte in einem hübschen Reihenhaus am Rand von Bensonhurst. Die Wetterseite sah aus, als wäre sie erst kürzlich mit Aluminium verkleidet worden, und in der Auffahrt stand ein 1975er Cadillac. Mit dem frisch gemähten Garten und den strahlend weißen Gardinen an den Fenstern sah es so gepflegt aus wie die meisten anderen Häuser in dieser hauptsächlich von in die Mittelschicht aufgestiegenen Einwanderern bewohnten Gegend.

Trotz seiner Enttäuschung über die US-Regierung schien es Munzer Achmedow in den Vereinigten Staaten nicht allzu schlecht ergangen zu sein. Er hatte ein schönes Haus und einen fast neuen Cadillac, mit dem er jeden Morgen zu seinem kleinen Laden in Queens fuhr. Auch viele seiner Nachbarn, die ebenfalls Emigranten aus Osteuropa und Zentralasien waren, besaßen kleine Unternehmen, denen sie sehr englisch klingende Namen wie «Delta Fashion Inc» oder «Clover Jewelry Corp» gegeben hatten. Munzer selbst hatte sein Geschäft «Utopia Trading Company» getauft.

Gegründet hatte er es Anfang der Sechzigerjahre, als sein Herz noch voller Schmerz über den an ihm begangenen Verrat gewesen war. Hauptsächlich verkaufte er Batterien und Filme, aber auch kleinere Elektrogeräte wie Stereoanlagen und Fernseher, die schon mal im riesigen Laderaum eines Frachters verloren gehen oder von einem Lastwagen fallen konnten. Obwohl Munzer mit sich selbst immer schonungslos ehrlich war, stellte er seinen Lieferanten keine unnötigen Fragen. Dadurch, dass er seine Ware auf diese Weise billig einkaufte und sie zu marktüblichen Preisen weiterveräußerte, hatte er gutes Geld verdient. So machte man das nun mal in Amerika.

Mit der Zeit war Munzer zu einer tragenden Säule der usbekischen Emigrantengemeinde in New York geworden. Schon vor vielen Jahren war er amerikanischer Staatsbürger geworden und hatte alle Bücher über Thomas Jefferson und Abraham Lincoln gelesen, die seine Kinder von der Schule mit nach Hause gebracht hatten. Er hatte seine drei Söhne aufs College geschickt, und zwei von ihnen machten gerade ihren Doktor an der Universität. Jeden Freitag ging er in die Moschee, und einmal im Monat gab er dem Mullah einen Umschlag voller Bargeld für mildtätige Zwecke. Das Wichtigste, was er in Amerika gelernt hatte, war das Credo der Mittelklasse: nicht auffallen, sich nicht in Gefahr begeben und seine Trauer mit sich selbst ausmachen. Diese Strategie hatte fast zwanzig Jahre lang hervorragend funktioniert – bis dieser Mr. Goode ihn angesprochen hatte.

Als Taylor an seiner Tür klingelte, öffnete Munzer sofort, gab aber seinem Besucher nicht die Hand. Ohne ihn zu begrüßen, führte er Taylor die Kellertreppe hinab in einen nach Staub und Moder riechenden Raum. An zwei Wänden standen hohe Regale mit Büchern in Türkisch, usbekischem Türkisch, Russisch, Deutsch und Englisch, während an der Rückwand des Raumes eine große, von zwei in Wandhaltern steckenden Kerzen beleuchtete Fotografie hing. Sie zeigte einen orientalisch aussehenden Herrn mit dünnem Schnurrbart, schmalen Mongolenaugen und hohen, zentralasiatischen Backenknochen, der einen langen, schwarzen Gehrock trug, und erinnerte Taylor in dem schwachen, flackernden Licht irgendwie an ein Heiligenbild.

«Wer ist das?», fragte Taylor, während er näher an das große Foto herantrat und es eingehend betrachtete.

«Mustafa Chokay, der Führer unserer Bewegung. Ein wahrhaft großer Mann. Aber setzen Sie sich doch, dann kann ich Ihnen von ihm und vielen anderen Dingen erzählen.



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