Das Manuskript: Thriller (German Edition) by Pavone Chris

Autor:Pavone, Chris [Pavone, Chris]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783492967327
Herausgeber: Piper ebooks
veröffentlicht: 2014-08-10T22:00:00+00:00

Kapitel 30

Ein Flug quer über den Kontinent bietet mehr als genug Zeit zum Lesen, vor allem bei Gegenwind und wenn er in Richtung Westen geht. Gleichzeitig ist es ein sehr langes Manuskript, deshalb fehlen Camilla immer noch hundert Seiten, als die Maschine trotz unerklärlicher Verspätung und heftigem Passatwind endlich landet, die Anschnallzeichen erlöschen und die anderen Passagiere von ihren Plätzen aufstehen.

Camilla verstaut das Manuskript in ihrer Tasche, während sie im Geiste bereits die Darsteller für die Verfilmung besetzt. Sie würde lieber auf jüngere Schauspieler zurückgreifen, damit sie die Charaktere bereits vom Collegealter an spielen können, eine Zeitspanne, die einen unverhältnismäßig großen Teil der filmischen Adaption einnehmen wird, schließlich ist die visuelle Dramatik der Story gerade am Anfang besonders eindrucksvoll. Vermutlich ist es einfacher, jüngere Schauspieler im Lauf des Films altern zu lassen als umgekehrt.

Der Film wird der Hammer.

Eigentlich sollte sie ein schickes Cabrio mieten und die ganze Woche mit der Sonnenbrille auf der Nase kreuz und quer durch L.A. fahren, ihr rotes Haar im Fahrtwind wehen lassen und versuchen, möglichst viel Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, so wie alle anderen hier. Endlich hat sie etwas in der Hand, was ihr die entsprechende Beachtung einbringt.

Zum Teufel mit den Spesen. Dies ist vermutlich ihre letzte Dienstreise für McNally & Sons, daher wird sie folglich gar nicht mehr in die Verlegenheit kommen, die hohen Ausgaben rechtfertigen zu müssen. Weil sie nämlich längst weg sein wird, wenn die Kreditkartenrechnung im Verlag eingeht.

Als sie am Straßenrand steht und auf den Shuttle wartet, der sie zum Mietwagenverleih bringen soll, ruft sie dort an und bittet um ein Upgrade. Der unerträglich schwachsinnige Mitarbeiter bietet ihr eine Auswahl an SUVs an, aber das ist nicht das Richtige, absolut nicht. »Na gut«, sagt sie, »dann nehme ich einen Mittelklassewagen.«

»Kein Problem.« Der Schwachkopf entschuldigt sich noch nicht einmal dafür, dass er ihre Wünsche nicht erfüllen kann. Vielleicht ist Kalifornien ja doch nicht das Paradies, wie sie es sich vorgestellt hat. »Obwohl … wenn ich es mir so überlege … nein danke, lassen Sie’s.« Sie legt auf, ruft eine andere Firma an, wo tatsächlich mehr als genug Cabrios zur Verfügung stehen. Wenn es einen Ort auf der Welt gibt, wo es die Dinger im Überfluss gibt, dann ist es wohl L.A.

Der Shuttlebus setzt sie an einem Parkplatz ab, der einen knappen halben Kilometer von dem Parkplatz entfernt liegt, wo man sie erwartet.

Ihr bleibt nicht mehr genug Zeit, um wie geplant vor ihrem Termin im Hotel einzuchecken, deshalb beschließt sie, sich auf der Toilette der Mietwagenfirma umzuziehen und ein wenig frisch zu machen. Im unbarmherzigen Schein der Neonbeleuchtung bekommt sie eine Ahnung, wie ihr Gesicht in zehn oder zwanzig Jahren aussehen wird – schlaffe Haut an den Augenwinkeln, was ihr vage Ähnlichkeit mit einem Spaniel verleiht, hängende Wangen und der Anflug eines Truthahnhalses. Sie wird exakt so aussehen wie ihre Mum. Dabei war es stets ein Ziel – nein, das Ziel schlechthin –, niemals wie ihre Mutter auszusehen, aber gegen die Gene ist man nun einmal machtlos.

Sie verfrachtet ihr Gepäck in den Kofferraum, setzt sich hinters Steuer und richtet sich ein.

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