Das Manuskript: Roman (German Edition) by Grisham John

Autor:Grisham, John [Grisham, John]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Heyne Verlag
veröffentlicht: 2020-08-30T16:00:00+00:00

9 .

Ende September lagen Bruce konkrete Zahlen vor, die bestätigten, was er bereits vermutete – der Umsatz von »Bay Books« war um fünfzig Prozent eingebrochen. In einem durchschnittlichen Jahr wurden fast vierzig Prozent des Umsatzes mit Verkäufen an Touristen erzielt, von denen es zurzeit keine auf Camino Island gab. Die Einheimischen blieben dem Geschäft treu, aber viele von ihnen waren immer noch mit Aufräumarbeiten beschäftigt und mussten ihr Geld zusammenhalten. Er sagte sämtliche Autorenveranstaltungen für den Rest des Jahres ab, entließ zwei Teilzeitmitarbeiter und überredete Noelle, das Antiquitätengeschäft vorübergehend zu schließen. Dann verließen sie das Land.

Sie flogen nach Mailand und nahmen den Zug nach Verona, wo sie durch die alte Stadt streiften und Parks, Museen, Plätze und Restaurants erkundeten. Dann fuhren sie weiter in die Dolomiten und verbrachten vier Nächte in einer rustikalen, familiengeführten Pension dreißig Kilometer vor der Grenze zu Slowenien. Tagsüber wanderten sie durch das spektakuläre Gebirge, bis sie müde wurden, und abends verspeisten sie großzügige Portionen der ladinischen Küche – Knödel und Schnitzel –, begleitet von einheimischen Weinen, Grappa und sogar selbst gebranntem Schnaps.

An ihrem letzten Tag saßen sie in dicke Decken gehüllt auf der Terrasse ihres Zimmers, tranken heißen Kakao und sahen zu, wie die Sonne hinter den Bergen versank.

»Ich will nicht zurück«, sagte Bruce. »In Florida ist es immer noch heiß, und in den Bäumen hängt immer noch Müll.«

»Und wo willst du hin?«, fragte Noelle .

»Ich weiß es nicht. Ich habe den Buchladen seit dreiundzwanzig Jahren, und das Verkaufsgeschäft fordert seinen Tribut. Wir haben genug auf dem Offshorekonto gebunkert, um nie mehr arbeiten zu müssen.«

»Bruce, du bist siebenundvierzig und nicht der Typ, der einfach so aufhören kann zu arbeiten. Im Ruhestand würdest du durchdrehen.«

»Oh, ich würde ja weiterhin mit Raritäten handeln und du mit französischen Antiquitäten. Aber das können wir überall machen. Es wird Jahre dauern, bis die Insel sich von dem Sturm erholt hat, und ich weiß nicht, ob ich Lust dazu habe, mich abzuschinden, während ich auf die gute alte Zeit warte. Wir sollten wenigstens über eine mögliche Veränderung reden.«

»Okay. Wo möchtest du hin?«

»Das Haus würde ich gern behalten, aber beim Laden bin ich mir nicht so sicher. Was wäre, wenn wir auf der Insel leben, wenn das Wetter angenehm ist, und dann in den Norden wechseln? Sechs Monate am Strand, sechs Monate in den Bergen? Eine kleine Stadt in New England vielleicht oder irgendwo im Mittleren Westen. Ich habe keine Ahnung, aber es wird sicher Spaß machen, sich nach Möglichkeiten umzusehen.«

»Europa? Was wäre so falsch daran?«

Bruce überlegte lange. »In Europa gehörst du jemand anderem, deshalb würde ich es lieber meiden«, sagte er schließlich.

»Bruce, die Dinge ändern sich. Es gibt schlechte Nachrichten. Jean-Luc hat Krebs, und es sieht nicht gut aus.«

Sie sah ihn an, doch er ließ sich nichts anmerken. Kein Mitgefühl, weil ihm ihr französischer Lover egal war. Keine Erleichterung, weil Bruce die Regeln gekannt hatte, als er sich in Noelle verliebt hatte. Sie und Jean-Luc waren schon lange zusammen gewesen, bevor er auf der Bildfläche erschienen war. Da sie Französin war,

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