Das Lied, das uns trägt. Roman by Alison Love

Das Lied, das uns trägt. Roman by Alison Love

Autor:Alison Love [Love, Alison]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783104031415
Herausgeber: FISCHER E-Books
veröffentlicht: 2015-07-29T16:00:00+00:00


21.

Kapitel

Vier Tage später reisten Danila und das Baby in Valentinos Begleitung nach Italien. Sie nahmen den Zug ab Victoria, wie es früher die Kinder treuer Faschisten getan hatten, die sich fröhlich zum Sommerlager versammelten, während Botschafter Grandi Süßigkeiten verteilte.

Antonio begleitete sie zum Bahnhof. Enrico hatte gehofft, dabei zu sein und einen letzten Blick auf seinen Lieblingssohn zu werfen, doch seine Atmung hatte sich verschlechtert, und er musste in der Frith Street das Bett hüten.

»Nur Mut, Valentino«, sagte Antonio zu seinem Bruder, der weinte, als der Bus unerbittlich Piccadilly entlangrollte. »Papa reist bald nach Lazio. Vielleicht im Sommer. Es ist ja nicht so, als würdet ihr euch nie wiedersehen.«

»Wenn es zum Krieg kommt, kann man vielleicht gar nicht mehr reisen«, sagte Danila tonlos. Sie saß in einem wunderschönen rehbraunen Mantel und mit ockerfarbenem Hut hinter den beiden Brüdern, das schlafende Kind auf dem Schoß. Sie hatte geweint, als Antonio ihr mitgeteilt hatte, er werde sie nicht nach Italien begleiten. Den Rest der Nacht hatte sie gejammert und geschluchzt, weil sie ihn überreden wollte, seine Meinung zu ändern. Nachdem sie begriffen hatte, dass das nicht passieren würde, war sie härter geworden, forsch und entschlossen. In den letzten Tagen hatte sie weder Vertrautheit noch Bedauern gezeigt.

»Wir finden schon einen Weg«, sagte Antonio. Er wollte nicht an die Zukunft denken; er konzentrierte sich ganz auf die bevorstehende Aufgabe. Abschiede lagen ihm nicht, die wirren, unbeholfenen Gefühle, die damit verbunden waren. Er hoffte, dass er den Abschied von seiner Frau und seinem Sohn sauber und mit Anstand hinbekäme.

Auf den Bahnsteigen in Victoria drängten sich Tagesausflügler, die an die Südküste wollten. Antonio schleppte Danilas Koffer zum Zug. Die meisten Sachen, die sie eingepackt hatte, waren für das Kind, Taufgeschenke und die weichen Pullover, die sie ihm gestrickt hatte. Antonio wusste, dass sein Sohn in Lazio nicht so viele warme Sachen brauchen würde – Danila würde kühlere Kleidung aus Baumwolle oder Leinen besorgen müssen, damit er den italienischen Sommer überstand –, doch wie so vieles andere war auch das unausgesprochen geblieben.

Er drehte sich um und sah, wie seine Frau ihm gehorsam über den Bahnsteig folgte. Gestern Abend im Dunkeln hatte er sie in die Arme genommen und über ihren Oberschenkel gestrichen, um zu signalisieren, dass er mit ihr schlafen wollte. Danila hatte sich nicht gerührt. Antonio hatte den Saum ihres weißen Baumwollnachthemdes angehoben und wieder fallen lassen. Ich will keine Frau, die sich mir unterwirft, dachte er, ich will eine Frau, die mich begehrt. Er hatte beschwichtigend auf ihr Knie geklopft, als wollte er sagen, es ist in Ordnung, ich bestehe nicht darauf, und war ans äußerste Ende der Matratze gerutscht, wo er bis zur Morgendämmerung wach gelegen hatte.

Der Kleine wurde unruhig, seine rundlichen Gliedmaßen versuchten, sich dem Griff der Mutter zu entwinden. Bald wäre Enrico zu groß, um von ihr getragen zu werden. Vielleicht würde er seinen Vater gar nicht wiedererkennen, wenn er ihn das nächste Mal sah. Und vielleicht erkenne ich ihn auch nicht, obwohl er mein Fleisch und Blut ist. Er stellte die Koffer ab und öffnete die Tür des Abteils.



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