Das Lied des Wolfes by Gillian Bradshaw

Das Lied des Wolfes by Gillian Bradshaw

Autor:Gillian Bradshaw [Bradshaw, Gillian]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2012-12-30T05:00:00+00:00


Es war Sonntag. Nach dem Besuch der Messe in der Burgkapelle versammelte sich der Hof in der großen Halle. Eline sollte den Lehnseid ablegen und mit dem Gut Talensac belehnt werden.

Die Halle von Ploërmel war größer als die von Rennes, und da sie älter und in einfacherem Stil erbaut war, wirkte sie irgendwie heller. Die Holzwände waren verputzt und weiß getüncht, der Fußboden aus gestampftem Lehm war mit Binsen bestreut – blaßgelben in dieser Jahreszeit. Die Wände waren behängt mit bestickten hellen Leinenbahnen, die Szenen mit wilden Tieren oder mit Fabeltieren zeigten. Der Rauch von dem zentralen offenen Herd stieg blau zu der hohen Decke auf, und der weiße Schein der Wintersonne, der durch die schmalen Fenster fiel, warf Streifen von Licht auf die Eichentische und die Menschen, die an ihnen saßen. Rüstungen, blaue und scharlachrote Kleider, goldene Borten und Pelzbesatz leuchteten wie bunte Kleckse in dem dämmerigen Licht.

Der Herzog nahm Platz auf seinem erhöhten Sitz am oberen Ende der Halle. Langsam schritt Eline durch die Halle auf ihn zu; sie sah sehr klein und zerbrechlich aus, ihr schwarzes Trauergewand hob sich kraß gegen den glänzenden Prunk der Umgebung ab. An einer Leine aus karmesinrotem Leder führte sie die Hündin Mirre.

Mit Tiarnáns Todeserklärung war das Lehen Talensac an Hoel zurückgefallen und Eline als Witwe eines Lehnsmannes des Herzogs Mündel des Herzogs geworden. Es war ein Zeichen der außergewöhnlichen Zuneigung des Herzogs für Tiarnán, daß Hoel dessen Witwe eingeladen hatte, ihm den Lehnseid zu leisten und die Herrschaft über das Gut zu übernehmen. Eline war sich bewußt – und darüber war sie gar nicht glücklich –, daß der Herzog mit dieser noch einen anderen Zweck verfolgte. Sie schied aus dem Kreis der ehemündigen Erbinnen aus, die der Vormundschaft des Herzogs unterstanden und deren Verheiratung beziehungsweise Wiederverheiratung ihm oblag. Er erwartete offenbar von ihr, daß sie sehr lange um Tiarnán trauerte. Hoel würde es gar nicht gefallen, wenn sie um seine Erlaubnis bat, sofort wieder zu heiraten. Der ganze Hof würde diesen Verstoß gegen die Etikette verurteilen. Jetzt bereits hatte die Art, wie sie auf Alains werbende Blicke reagierte, mißbilligendes Stirnrunzeln und schockierte Blicke hervorgerufen. Aber sie brauchte dringend die Nähe Alains und konnte den Gedanken nicht ertragen, für Monate und Jahre dieses Leben in Talensac weiterzuführen, wo sich die ›einfachen, ehrlichen, gutherzigen Bauern‹ gegen sie gewandt hatten. Sie wagten es nicht, ihr den Gehorsam zu verweigern, weil sie die Gutsherrin war, doch wohin sie auch kam, überall konnte sie ihr bitteres Urteil spüren. Sie hatte sich mit dem Machtiern gestritten. Ihretwegen war er verschwunden. Der einzige Mensch in Talensac, der vorurteilsfrei mit ihr sprach, war Grallon, der Beamte, der im Auftrag des Herzogs das Gut leitete. Wenn sie in einen Raum kam, verließ ihn jeder, der nicht unbedingt dort bleiben mußte. Für Eline, die in ihrem Leben bisher nichts als Liebe und Bewunderung gekannt hatte, war diese Situation fast unerträglich. Sie war hin- und hergerissen zwischen Wut und hilfloser Verwirrung. Alains Liebe, seine bewundernden Blicke und beruhigenden Worte waren Balsam für ihre verwundete Seele.



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