Das Lied der Dünen by Cramer Doris

Das Lied der Dünen by Cramer Doris

Autor:Cramer, Doris [Cramer, Doris]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Blanvalet
veröffentlicht: 2015-06-21T16:00:00+00:00


27

Lâlla Ghariba brach die Teigkruste auf. »Bismillah«, rief sie und blies über die dampfende Täubchenpastete. Diese kleinen Häppchen hatten die Köchinnen noch vor der Abreise in der Palastküche vorbereitet. »Greif zu, Mädchen«, lächelte sie. »Der Tag war anstrengend genug, jetzt dürfen wir es uns gut gehen lassen.« Sie fühlte sich durchgerüttelt und hungrig, zugleich aber auch wunderbar belebt.

Irgendetwas an dieser jungen Frau kam ihr bekannt vor. War es eine Geste, das Heben des Kinns? Wie schade, dass sie so vieles vergaß. Margali hatte etwas Rätselhaftes an sich. Und sie wollte ihre Schülerin werden? Wie sollte das gehen mit der verletzten Hand? Doch das war nicht ihre Sorge, erst recht nicht während des Essens. Sie setzte sich bequemer zurecht.

»Ich verrate dir etwas: Die kleinen gefüllten Teigbällchen, die später serviert werden, und besonders die heiße Mandelmilch, gesüßt mit Honig und gewürzt mit Kardamom und Zimt, werden uns ganz besonders gut munden.« Ein kurzes Lächeln, während sie ihre Augen schon nicht mehr von der Pastete lösen konnte, dann schob sie sich kleine Happen aus Fleisch und Teig in den Mund. Die Köchinnen hatten sich selbst übertroffen. In den kommenden Reisetagen allerdings würden sie sich mit Eintöpfen, Brot und Obst begnügen müssen, so etwas ließ sich unterwegs leichter zubereiten. Auch aus diesem Grund gefiel ihr das Umherziehen nicht. Aber hatte Lâlla Fatima nicht etwas von Gefahr gesagt? Um welche Gefahr es ging hatte sie allerdings schon wieder vergessen. Besänftigt und einigermaßen gesättigt schaute sie sich um. Die Dienerinnen trugen Tabletts mit weiteren Pasteten herbei, mit kandierten Früchten, Gebäck und Nüssen, dazu Krüge, in denen die süße Mandelmilch dampfte.

Margali hielt sich zunächst zurück, wie es ihr als Fremder zukam. Doch Lächeln und Kopfnicken von Lâlla Fatima, die ihren Kindern vor dem benachbarten Zelt das Essen in kleinen Portionen vorlegte, ermunterten sie zuzugreifen. Schweigend wie alle verzehrte sie eine der kleinen Pasteten. Nur die alte Musikerin knurrte hin und wieder Unverständliches vor sich hin, während sie mit vollen Backen kaute. Redete sie mit sich selbst?

Margalis Blicke klebten geradezu an Lâlla Ghariba. Nach Señor Pablos Berichten hatte sie eine zartgliedrige, empfindsame, ja sogar nervöse Frau erwartet, keine beleibte Alte mit klobigen Fingern, die unentwegt Essen in sich hineinstopfte. War dies wirklich jene begnadete Meisterin, deren Stimme und Spiel ihr die Klänge in ihrem Inneren zurückgegeben, die sie mit ihrer Musik verzaubert hatte? Es kam ihr fast unglaubhaft vor.

Irgendwann schien Lâlla Gharibas Hunger gestillt zu sein. Margali beeilte sich, ihr respektvoll Wasserkanne, Waschbecken und Handtuch zu reichen. Die Musikerin dankte, reinigte ihre Hände und griff hinter sich, um eine Oud aus ihrer Samthülle zu heben. Zärtlich glitten ihre Finger mit den vielen Ringen über den Korpus, bevor sie mit einem weichen Ledertuch die Saiten reinigte und leise mit dem Stimmen begann.

Margali rückte näher. Kein Detail wollte sie versäumen.

Die Musikerin lächelte zufrieden, während sie Saite für Saite erst mit Daumen und Zeigefinger, dann mit der rizlah anschlug und an den Wirbeln drehte. Lâlla Fatima und die Kinder kamen herbei, und auch Dienerinnen versammelten sich voll Erwartung. Es schien sich um ein gewohntes Ritual zu handeln, nach dem Essen Lâlla Gharibas Musik zu lauschen.



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