Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker by Nicolai Friedrich
Autor:Nicolai, Friedrich
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: (Privatkopie)
veröffentlicht: 2010-02-03T05:00:00+00:00
Zehnter Abschnitt
Des Majors Wunde schien im Anfange nicht gefährlich, aber nach einigen Tagen verschlimmerten sich die Umstände sehr. Die Entzündung und das Wundfieber wurden heftiger, daher der Arzt erklärte, daß sehr wenige Hoffnung zur Wiedergenesung sei. Die Freunde des Majors waren äußerst niedergeschlagen; der gute Franz aber, der über dreißig Jahre in des Majors Diensten gestanden hatte, weinte unablässig, so daß ihn der Kranke selbst tröstete, der allein des Wundarztes Nachricht mit Gleichmut anhörte. Die geschwinde Abnahme seiner Kräfte ließ nur allzusehr befürchten, daß der Wundarzt richtig geurteilt habe.
Eines Tages ward der Kranke besonders schwach. Gegen Mittag aber fiel er in einen sanften Schlummer, worin er einige Stunden verblieb, und schien darauf äußerlich ein wenig erquickt. Franz, sehr traurig über dessen mißlichen Zustand, ergriff die Gelegenheit, da der Major heiteres Gemüts und er mit ihm allein war, nach vorgängiger Entschuldigung eine Frage zu tun, die ihm schon lange auf dem Herzen gelegen hatte, nämlich:
Ob der Herr Major nicht das Sakrament nehmen wolle.
»Lieber Franz, du meinst es recht gut«, sagte der Kranke, »aber wozu? Ich habe das Abendmahl immer nur genommen, wenn entweder das Regiment kommunizierte oder wenn ich besondere Ursache fand, mich zu sammeln und ernsthaft über mich nachzudenken; aber glaube mir, Franz, ein Krankenlager von drei Wochen gibt an sich selbst Gelegenheit genug zum ernsthaften Nachdenken.«
»Aber, lieber Herr Major, ein Mensch muß doch so schwer sterben, wenn er nicht gebeichtet hat.«
»Höre nur, mit der Beichte habe ich niemals etwas zu tun gehabt. Anstatt der Beichte sagte ich allemal laut und ernstlich: Schaffe in mir, Gott, ein reines Herz und gib mir einen neuen gewissen Geist, verwirf mich nicht von deinem Angesichte, und sei mir gnädig! Damit war mein Feldprediger zufrieden, und ich denke, Gott wird auch damit zufrieden sein, wenn ich's jetzt sage. Aber höre, Franz, ich will jetzt tun, was ich sonst bei der Beichte tat, ich will dich wegen alles dessen um Vergebung bitten, was ich dir kann zuwidergetan haben; vergib es mir.«
Hier reichte er Franzen die Hand.
Franz küßte und benetzte sie mit seinen Tränen und sagte schluchzend: »Ach, Herr Major, ich kann Ihnen nichts vergeben, Sie sind immer mein guter Herr gewesen und haben an mir mehr Liebe bewiesen, als ich verdiente. Vergeben Sie mir nur, wenn ich zu vorschnell gewesen bin. Ich dachte doch, man könne nicht ruhig sterben, wenn man nicht von einem geistlichen Herrn ordentlich vorbereitet würde. Als Sie daher schliefen, lief ich geschwind zu einem Prediger, der nicht weit von hier wohnt, aber er war nicht zu Hause.«
»Du hast's recht gut gemeint, Franz; da er aber nicht zu Hause war, ist's nun auch ebenso gut. Ich habe mit diesen Herren nicht gern etwas zu tun, wenn ich sie nicht vorher genau kenne. Ich lag, du weißt es, hart verwundet auf dem Schlachtfelde bei Torgau an zwölf Stunden, ehe du mich unter den Toten und Blessierten herausfandest. Damals konnte mir kein Feldprediger zusprechen, und ich war zum Tode ebenso bereit wie jetzt.«
Indem er dieses sagte, trat Sebaldus herein, um ihn zu besuchen.
»Sie kommen, mein lieber Freund«, sagte der Kranke, »gerade zur rechten Zeit.
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