Das Leben Zimmer 18 und du by Salchow Nancy

Das Leben Zimmer 18 und du by Salchow Nancy

Autor:Salchow, Nancy [Salchow, Nancy]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2013-10-01T04:00:00+00:00


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Es war nicht geplant und doch scheint mir die Lösung in diesem Moment ganz nah. Er kennt ihn. Dieser Mann kennt ihn. Ganz sicher!

Nur wenige Meter vom Kaffeeautomaten entfernt fällt er mir ins Auge: schmächtig, eingefallenes Gesicht, glasiger Blick.

Ja, so stellt man sich einen Patienten auf der Abhängigkeitsstation vor. Ein Klischee, das zumindest von ihm erfüllt wird.

Auf hageren Beinen steht er auf dem Flur neben der Stationstür und hält sich an einem Kaffeebecher fest.

Es fällt schwer, sein Alter zu schätzen. Vielleicht ist er sechzig, vielleicht Mitte vierzig. Die Sucht scheint die Spuren der Zeit verwischt und ihren eigenen prägnanten Abdruck hinterlassen zu haben.

Mitgefühl schleicht sich in meine Sinne. Ob er zum ersten Mal hier ist?

„Entschuldigung.“ Als ich darüber nachdenke, ihn anzusprechen, stehe ich auch schon neben ihm. „Bis gestern früh war noch ein Patient auf eurer Station. Ich kenne aber nur seinen Vornamen. Bastian. Weißt du vielleicht, wie er mit vollem Namen heißt und wo er wohnt?“

„Basti?“ Er runzelt die Stirn. „Ja, den kenn ich. Aber wie er mit Nachnamen heißt? Keine Ahnung.“

„Engermann“, ruft mir eine Stimme von der Seite zu. „Er heißt Bastian Engermann.“

Irritiert drehe ich mich um. Hinter mir, auf der Sitzreihe, die ich selbst in den letzten Wochen so oft als Aussichts-, Ruhe- und Treffpunkt auserkoren habe, sitzen zwei Frauen, die scheinbar ebenfalls von derselben Station kommen.

„Bist du sicher?“, frage ich sie, während ich langsam näherkomme.

„Absolut sicher. Er wohnt in einem kleinen Ort in der Nähe von Wismar. Aber über seinen Namen müsstest du ihn sicher finden.“

„Das wäre ja einfach prima!“, antworte ich. „Wir haben uns ein paar Mal ganz nett unterhalten und ich würde ihm gerne schreiben.“

„Na dann!“ Sie lächelt mir zu. „Viel Glück bei der Suche!“

„Danke.“

Ich unterdrücke den Drang, augenblicklich loszurennen, um auf meinem Netbook nach ihm zu googeln. Den ersten Schritt bis zur Tür meiner Station gehe ich geradezu schleichend, doch als sie ins Schloss fällt, beginne ich instinktiv zu laufen.

Ein Schritt.

Zwei Schritte.

Sollte es wirklich so einfach sein, ihn zu finden?

Hastig werfe ich die Zimmertür hinter mir zu. Während ich mich auf mein Bett werfe und meinem Netbook beim Hochfahren zuschaue, stelle ich erleichtert fest, dass ich alleine bin. Lana. Sicher strickt sie wieder mal im Aufenthaltsraum.

Als sich die ersehnte Webseite öffnet und ich seinen Namen eingebe, setzt mein Herz für einen Moment aus.

Tatsächlich. Das ist er. Ein Foto, das seinem realen Aussehen in keiner Weise gerecht wird, sondern vielmehr ein Paradebeispiel dafür ist, wie egal es einem echten Mann zu sein scheint, ob er auf einem Bild gut rüberkommt. Ein beinahe schon grimmiger Blick zur Seite, der so gar nichts mit seiner aufgeschlossenen Art gemeinsam hat.

Trotzdem ist er es. Bastian. Kein Zweifel.

Freundschaftsanfrage?

Einen letzten blassen Moment lang zögere ich, bis der Cursor meiner Maus wie von selbst zum Button „Freund hinzufügen“ wandert.

Ein Herzschlag.

Zwei.

Freundschaftsanfrage versendet.



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