Das Leben Des Galilei by Bertolt Brecht

Das Leben Des Galilei by Bertolt Brecht

Autor:Bertolt Brecht
Die sprache: de
Format: mobi, epub
veröffentlicht: 2012-02-03T17:58:24+00:00


8.

Ein Gespräch

Galilei las den Spruch

Ein junger Mönch kam zu Besuch

War eines armen Bauern Kind

Wollt wissen, wie man Wissen find’t.

Wollt es wissen, wollt es wissen.

Im Palast des Florentinischen Gesandten in Rom.

Galilei hört den kleinen Mönch an, der ihm nach der Sitzung des Collegiums Romanum den Ausspruch des päpstlichen Astronomen zugeflüstert hat.

Galilei: Reden Sie, reden Sie! Das Gewand, das Sie tragen, gibt Ihnen das Recht zu sagen, was immer Sie wollen.

Der kleine Mönch: Ich habe Mathematik studiert, Herr Galilei.

Galilei: Das könnte helfen, wenn es Sie veranlaßte einzuge-stehen, daß zwei mal zwei hin und wieder vier ist!

Der kleine Mönch: Herr Galilei, seit drei Nächten kann ich keinen Schlaf mehr finden. Ich wußte nicht, wie ich 82

das Dekret, das ich gelesen habe, und die Trabanten des Jupiter, die ich gesehen habe, in Einklang bringen sollte.

Ich beschloß, heute früh die Messe zu lesen und zu Ihnen zu gehen.

Galilei: Um mir mitzuteilen, daß der Jupiter keine Trabanten hat?

Der kleine Mönch: Nein. Mir ist es gelungen, in die Weisheit des Dekrets einzudringen. Es hat mir die Gefahren aufgedeckt, die ein allzu hemmungsloses Forschen für die Menschheit in sich birgt, und ich habe beschlossen, der Astronomie zu entsagen. Jedoch ist mir noch daran gelegen, Ihnen die Beweggründe zu unterbreiten, die auch einen Astronomen dazu bringen können, von einem wei-teren Ausbau der gewissen Lehre abzusehen.

Galilei: Ich darf sagen, daß mir solche Beweggründe bekannt sind.

Der kleine Mönch: Ich verstehe Ihre Bitterkeit. Sie denken an die gewissen außerordentlichen Machtmittel der Kirche.

Galilei: Sagen Sie ruhig Folterinstrumente.

Der kleine Mönch: Aber ich möchte andere Gründe nennen. Erlauben Sie, daß ich von mir rede. Ich bin als Sohn von Bauern in der Campagna aufgewachsen. Es sind einfache Leute. Sie wissen alles über den Ölbaum, aber sonst recht wenig. Die Phasen der Venus beobachtend, kann ich nun meine Eltern vor mir sehen, wie sie mit meiner Schwester am Herd sitzen und ihre Käsespeise essen. Ich sehe die Balken über ihnen, die der Rauch von Jahrhunderten geschwärzt hat, und ich sehe genau ihre alten abgearbeiteten Hände und den kleinen Löffel darin. Es geht ihnen nicht gut, aber selbst in ihrem Unglück liegt eine gewisse Ordnung verborgen. Da sind diese verschiedenen Kreisläufe, 83

von dem des Bodenaufwischens über den der Jahreszeiten im Ölfeld zu dem der Steuerzahlung. Es ist regelmäßig, was auf sie herabstößt an Unfällen. Der Rücken meines Vaters wird zusammengedrückt nicht auf einmal, sondern mit jedem Frühjahr im Ölfeld mehr, so wie auch die Ge-burten, die meine Mutter immer geschlechtsloser gemacht haben, in ganz bestimmten Abständen erfolgten. Sie schöpfen die Kraft, ihre Körbe schweißtriefend den steinigen Pfad hinaufzuschleppen, Kinder zu gebären, ja zu essen aus dem Gefühl der Stetigkeit und Notwendigkeit, das der Anblick des Bodens, der jedes Jahr von neuem grünenden Bäume, der kleinen Kirche und das Anhören der sonntäglichen Bibeltexte ihnen verleihen können. Es ist ihnen versichert worden, daß das Auge der Gottheit auf ihnen liegt, forschend, ja beinahe angstvoll; daß das ganze Weltthea-ter um sie aufgebaut ist, damit sie, die Agierenden, in ihren großen oder kleinen Rollen sich bewähren können.

Was würden meine Leute sagen,



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