Das Komplott zu Lima by Roberto Schopflocher

Das Komplott zu Lima by Roberto Schopflocher

Autor:Roberto Schopflocher [Schopflocher, Roberto]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Frankfurter Verlagsanstalt
veröffentlicht: 2015-07-23T00:00:00+00:00


11 Cristóbal oder mit Milde und Barmherzigkeit

Trotz all ihrer Vorahnungen traf Elvira die eines frühen Morgens erfolgte Festnahme überraschend. Es gelang ihr gerade noch, Enriquillo mit einer ihrer Sklavinnen durch eine Hintertür zu ihren Eltern zu schicken. Kaum waren die beiden außer Haus, als der Sequesternotar sämtliche Schwarzen, mitsamt allem weiteren lebenden und toten Inventar, in Beschlag nahm. Der Oberalguacil, ein massiger Kerl mit finsterem Gesicht, wies seinen Befehl vor, sich aller Angeklagten zu bemächtigen, ganz gleich, wo sie sich befänden, selbst in Kirchen, Klöstern oder sonstigen heiligen, befestigten oder privilegierten Stätten. Im Gefängnis angelangt, wurde Elvira von Juan getrennt und in eine dunkle Einzelzelle gesperrt.

Die Operation hatte sich blitzschnell abgewickelt. Als man Elvira sich selber überließ, versuchte sie, sich mit dem Gedanken zu beruhigen, dass man sie bestimmt bald wieder aus der Haft entlassen würde. Die Familie besaß schließlich noch immer gute Freunde am Hof und im Klerus – solches bildete sie sich jedenfalls ein. Als sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, nahm sie die Schatten wahr, die auf dem feuchten Boden umherhuschten.

'Ratten!', hallte ein Schrei. Erst nach einer ganzen Weile kam ihr zu Bewusstsein: Sie selbst war es gewesen, die da geschrien hatte. Niemand kam ihr zu Hilfe. Und da endlich begriff sie ihre Lage. Begriff, dass sie feindlichen Mächten ausgeliefert war, die mit ihr nach Gutdünken verfahren konnten.

Abstoßende Gerüche erreichte sie. Ein Gestank nach Kot, Verwesung und Angst.

'Enriquillo!', hörte sie jemanden stöhnen. 'Mein Kind!' Und wieder dauerte es eine ganze Weile, bis sie ihre eigene raue Stimme erkannte.

Es muss ein böser Traum sein. Ich bin krank, ich habe Fieber. Gleich werde ich in meinem Bett erwachen; der alte Doktor Xixón wird mich auffordern, die Zunge herauszustrecken, und wird mich fragen, was ich denn am Vortag gegessen habe.

Allmählich schärfte sich ihr Gehör, und sie begann wahrzunehmen, wie sich die sie umgebende Stille belebte. Klopfzeichen an der Wand. Ein gellender Schrei dann, der in den Gängen widerhallte und sie zusammenfahren ließ. Schlurfende Schritte. Sie versuchte, sich zu orientieren. Vergeblich … Getuschel … Man rief sie beim Namen … Eine Halluzination?

'Elvira, liebste Freundin! Ich bin’s, Mencía.'

Mencía de Luna, meine Zellennachbarin? Dann bin ich also doch nicht so allein und verlassen. Dann gehöre ich einer Gemeinschaft an. Dann haben die Wände Ohren.

'Die Wände haben Ohren und Augen. Und vor allem haben sie Spalten; lockere Steine, die sich verschieben lassen, um Zetteln Durchgang zu gewähren. Pss! … Nicht so laut! Man beobachtet uns. Konfidenten werden in die Kerker eingeschleust. Lockspitzel, die uns verraten … Ich werde dir das Alphabet der Klopfzeichen beibringen. Du wirst Zettelchen erhalten. Mit Urin geschrieben, das ist hier unsere sympathetische Tinte. Meine Schwester Mayor schreibt mir, und Don Manuel. Und der Bachiller Maldonado …'

'Manuel? Maldonado de Silva? Das hört sich ja an wie Zauberei.'

'Ach, liebste Freundin! Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie einfach es sich hier mit ein paar Reales in der Hand zaubern lässt. Selbst Besuche von einer Zelle zur andern lassen



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