Das Juwel. Die Weiße Rose by Amy Ewing

Autor:Amy Ewing [Ewing, Amy]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783104038414
Herausgeber: FISCHER E-Books
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00

Irgendwann ruckt das Fuhrwerk los. Unter mir rumpeln die Räder über den Boden, sofort bin ich in Alarmbereitschaft.

Ich höre Stimmen und Rufe um mich herum, das Stöhnen von Männern, die schwere Dinge schleppen, knirschenden Kies und dann das ohrenbetäubende Pfeifen eines Zugs.

»Wohin?«, fragt eine offiziell klingende Stimme.

»In die Farm. Südviertel. Bahnhof Bartlett.« Die Stimme desjenigen, der unseren Wagen fährt, kenne ich nicht. Ich frage mich, ob er auch zum Bund des Schwarzen Schlüssels gehört. Oder ob er gar nicht weiß, dass er uns bei der Flucht hilft.

»Papiere?« Leises Geraschel. Ich habe zu viel Angst, um mich zu rühren. Die Perlen könnten sich bewegen und uns alle verraten. »Sehr gut, scheint alles in Ordnung zu sein. Weiter!«

Das Fuhrwerk rollt wieder los. Ich höre das Zischen einer Dampflok, erneute Rufe. Als das Fass hochgehoben wird, schreie ich beinahe auf. Schnell halte ich mir den Mund zu und drücke die andere Hand fest an die Seite, um mich zu stabilisieren. Zum Glück wird das Fass nicht gerollt. Ich werde getragen, ein Gefühl, bei dem ich die Orientierung verliere, bis ich schließlich mit einem dumpfen Geräusch wieder auf festen Boden gestellt werde. Das Fass rutscht nach hinten, bis es gegen etwas stößt und stehen bleibt.

Unter Dröhnen und Kollern werden die anderen Fässer aufgeladen. Ich nehme an, dass wir uns auf einem Frachtzug befinden.

Wieder ertönt ein gellender Pfiff, dann setzt sich die Lokomotive in Bewegung.

Mir wird leichter ums Herz. Jetzt sind wir auf dem Weg in die Farm.

Es ist unmöglich, es sich in diesem Fass bequem zu machen. Überall bohren sich die Perlen in mich, ich würde so gerne die Beine ausstrecken. Mein Magen knurrt vor Hunger. Wann habe ich zum letzten Mal gegessen? Das muss bei Lily gewesen sein. Kommt mir vor, als läge es Monate zurück. Ich beginne, von dem Essen zu träumen, das ich im Juwel bekam. Weichgekochte Eier in kleinen Bechern, dazu Toastbrot. Räucherlachs mit Rahmkäse auf Crackern. Lamm mit Minzgelee. Friséesalat mit Entenfleisch und Feigen.

Das Rattern des Zugs und das Tuckern der Lok schläfern mich ein. Als eine Tür scheppernd aufgeschoben wird, schrecke ich hoch.

»Bartlett!«, ruft eine Stimme in der Ferne.

»Welche denn, Sir?«, fragt ein junger Mann ganz in der Nähe.

»Die drei da.« Luciens Stimme treibt mir Tränen in die Augen. »Vorsichtig«, sagt er, als das Fass mit mir über den Boden geschoben, wieder hochgehoben und mit einem unangenehmen Rums abgestellt wird.

»Das ist das letzte«, sagt eine fremde Stimme.

»Sehr schön. Bitte sehr, für Sie.«

»Danke, Sir.«

Ich höre Metall auf Metall schlagen, dann das Knallen einer Peitsche. Schließlich setzt sich das Transportmittel, auf dem ich mich befinde, in Bewegung. Nach ein paar Minuten höre ich Garnets Stimme.

»Sollen wir sie herauslassen?«

»Noch nicht«, erwidert Lucien. »Erst wenn wir im Wald sind.«

Die Straße ist holprig und hat tiefe Spurrillen, ich werde in meinem Fass herumgeworfen, stoße mich an den Ellenbogen, die Perlen rollen hin und her. Ich hoffe, dass dieser Wald nicht zu weit entfernt ist. All die Angst der letzten Tage sickert langsam aus mir und wird von einer leise summenden Aufregung abgelöst. Ich bin in der Farm.

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