Das Haus by Andreas Maier
Autor:Andreas Maier [Maier, Andreas]
Die sprache: deu
Format: mobi, epub
Herausgeber: Suhrkamp Verlag
veröffentlicht: 2011-07-02T22:00:00+00:00
Als ich fünf oder sechs Jahre alt war, saà ich bereits regelmäÃig im Bastelkeller und arbeitete vor mich hin. Ich hatte zu meinem Geburtstag einen Hubschrauber von meinem Bruder geschenkt bekommen, einen Bell UH-1D mit der Aufschrift Luftwaffe. Das ist jener Hubschraubertyp, der sich kollektiv ins bundesdeutsche Gedächtnis eingebrannt hat, weil er bei der gescheiterten Geiselbefreiung in Fürstenfeldbruck verwendet worden war, genau im Jahr meines fünften Geburtstags. Seit da begann ich mich selbst für Modelle zu interessieren. Meine Bastelbemühungen bekamen allerdings bald etwas Eigenartiges. Ich schuf immer ziemlich groÃe, in sich geschlossene Gebilde, die viel Platz brauchten und meist von etwas Schützendem umgeben waren. Ich bastelte das Asterixdorf aus Schnittbögen und errichtete einen Palisadenzaun darum. Ich verfertigte ein Römerkastell, das an sich schon eine Wehranlage war, auch wenn die Römer darin sicherlich sehr bald von Asterix und Obelix verprügelt werden würden. Dennoch war es geradezu idyllisch, wie die Römer dort im Kastell in Wäschezubern ihre Wäsche wuschen oder in groÃen Kesseln ihren Getreidebrei kochten. Wenn ich einen Stuka baute, postierte ich zu seiner Verteidigung einige Wehrmachtsoldaten um seinen Stellplatz herum, ein Kradfahrer kam ebenfalls dazu, schlieÃlich wurde es das Panoramabild eines fortifizierten Wüstencamps, montiert auf eine Styroporplatte, die ich mit dem Miniatursand bestreute, den mein Bruder für die Kieswege seiner Modelleisenbahnlandschaft verwendete. Natürlich wuÃte ich nicht, ob Rommel in der Wüste, von dem mein Onkel J. gern sprach und von dessen Feldzug ich mit meinem Stukapanorama wohl eine Art Detail nachstellen wollte, tatsächlich diesen Flugzeugtyp zur Verfügung gehabt hatte oder nicht. Hätte es unser Haus als Modellbausatz gegeben, hätte ich sicherlich auch das gebaut. Tage und Wochen konnte ich auf diese Weise im Bastelraum verbringen. Ich vergaà die Zeit. Im Grunde habe ich von den Jahren vor der Schule vor allem in Erinnerung, wie ich dort unten im kleinen Bastelraum saÃ, allein mit mir und aufgegangen in einer Tätigkeit, die mich völlig aufhob. Ich war aus der Familie ausgeklinkt und lebte so lautlos und zufrieden vor mich hin wie am Anfang bei meiner UrgroÃmutter, als noch alles einfach und problemlos gewesen sein soll. Es war das wiedergefundene Paradies. Vor den Fenstern sah ich die Kinder drauÃen spielen und verstand nicht, was sie taten, aber es interessierte mich auch nicht, und ich beachtete sie nicht weiter. Sie wuÃten nichts von mir. Der Gedanke, daà ich doch einmal mit ihnen zusammenkommen würde, und zwar bei unserer gemeinsamen Einschulung (der meine Eltern mit Angst entgegensahen und auf die sie mich, anders als damals beim Kindergarten, gar nicht erst vorzubereiten versuchten), existierte für mich in dieser Zeit nicht. Es ging für mich keine Bedrohung von ihnen aus, etwa dergestalt, daà ich bei ihren Spielen hätte mitmachen und zu ihnen dazuzugehören sollen. Sie waren einfach nur da drauÃen und kümmerten mich nicht.
Mindestens ebensogern wie die Zeit im Bastelraum mochte ich die Nacht. Nicht nur wegen des Alleinseins, sondern auch, weil dann alles still war und eigentlich gar nichts mehr geschehen konnte. Durch das Fenster kam noch fernes Laternenlicht von drauÃen herein. Je länger ich meinen Kopf hin und her wiegte, desto heller und farbiger wurde es in meinen Augen.
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