Das Geheimnis der Psyche by Windscheid Leon

Das Geheimnis der Psyche by Windscheid Leon

Autor:Windscheid, Leon [Windscheid, Leon]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Ariston Verlag
veröffentlicht: 2017-03-14T23:00:00+00:00


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Heute hatte ich viel vor, jetzt habe ich morgen viel vor

Der Fluch der Aufschieberei

Psychologie ist ein sehr lernintensives Studienfach. Zwei Mal im Jahr ist Klausurenphase. Dann heißt es wochenlang Fakten, Zahlen, Formeln und Definitionen in den Kopf zu schaufeln, bis nichts mehr hineinpasst. Im Anschluss gilt es, den gut durchgekauten Wissensbrei aus der vollen Birne häppchenweise auf die Klausurbögen zu kotzen. Auch wenn es ein beruhigendes Gefühl ist, dass seit der Abschaffung der Diplomstudiengänge am Ende des Studiums keine große Examensprüfung mehr ansteht, ist die Kehrseite der Medaille ganz eindeutig, dass sich statt nachhaltiger Wissensaneignung oft das sogenannte Bulimielernen auszahlt: Erst mit Hochdruck alles rein. Dann für die Klausuren wieder raus. Im Anschluss den ganzen Stoff vergessen? Kein Problem. Das schafft Platz. Denn das nächste Wissensschaufeln kommt schon bald.

Am Anfang jeder Klausurenphase stand also Lernen bis zum Umfallen für uns auf dem Programm. Der nicht übermittelte Erfinder des Begriffs »Klausurenphase«, den Studenten aller Fachrichtungen verwenden, hat sich vermutlich vollkommen absichtlich für den etwas schwammigen Term »Phase« entschieden. Denn wann die Phase startet und wie sie genau abläuft, bleibt undefiniert und damit jedem selbst überlassen. Genau das stellt eine große Herausforderung dar, wenn man wie ich an Aufschieberitis leidet.

»Aufschieberitis« oder das »Studentensyndrom« bezeichnen wir Psychologen etwas professioneller als »Prokrastination«, abgeleitet von dem lateinischen »pro«, was für, und »cras«, was morgen bedeutet. Wer prokrastiniert, schiebt Aufgaben erst lange vor sich her, um ihre Erledigung dann bei der kleinsten Ablenkung wieder abzubrechen. Frei nach dem Motto »Was du heute kannst besorgen, das verschiebe ruhig auf morgen«. Für mich zum Beispiel gibt es drei diabolische Versuchungen, die mich jedes Mal genau dann anspringen, wenn ich mich voller Tatendrang endlich auf eine längst überfällige Aufgabe stürzen möchte – etwa das Lernen für Klausuren: der Internetzugang, der unordentliche Schreibtisch, die Joggingschuhe. Bevor es mit der eigentlichen Arbeit losgehen kann, sollte man natürlich seine E-Mails gecheckt haben. Im Zweifel auch zwei, drei Mal. Nicht, dass man etwas Wichtiges verpasst. Sicher ist es auch mal wieder an der Zeit, kurz im Onlinebanking nach dem Rechten zu schauen. Nicht, dass die Million weg ist. Und als Student sollte man selbstredend auch noch kurz in Erfahrung bringen, was in der Welt so passiert. Also ein schneller Blick auf die Startseiten der großen Zeitungen. Internet ist abgehakt und jetzt aber … Wobei – Moment! Wie sehen denn die Fenster aus? Und der Chaoshaufen rechts auf dem Schreibtisch wackelt bedrohlich. Noch kurz aufräumen, die Fenster putzen und, wo man schon mal im Flow ist, auch noch eben den Duschkopf entkalken. Die Mitbewohner werden sich freuen. Jetzt blitzt und blinkt die ganze Wohnung zum ersten Mal seit Wochen, und es kann endlich losgehen. Wobei – Moment! Ein gesunder Geist lebt in einem gesunden Körper. Wissen wir ja jetzt. Also noch eine Runde Joggen zum Auflockern. Frische Luft hat noch nie geschadet. Und dann kann es aber endlich losgehen. Das alles kennen Sie vermutlich ähnlich von sich selbst. Ich habe mich sogar schon dabei erwischt, bei der Krankenversicherung anzufragen, welche Vorsorgeuntersuchungen sich für Leute unter dreißig empfehlen, nur um nicht mit dem Lernen für die Klausuren anfangen zu müssen.



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