Das Fragment by Michael Milde

Das Fragment by Michael Milde

Autor:Michael Milde [Milde, Michael]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Krimi
Herausgeber: Booksondemand
veröffentlicht: 2016-05-10T16:00:00+00:00


DER TAG DANACH

Es regnete in Strömen. Doch es war kein üblicher erfrischender Regen mit klarem Regenwasser. Es war ein unnatürlich schwarzer Regen.

Das Erlebnis, dass ihr seit Generationen bewohntes Stammesland vor ihren Augen vernichtet wurde, war schreck­lich. Für manche war es mehr, als sie ertragen konnten. Die Ältesten saßen apathisch im Gras auf dem kleinen Hügel. Starrten auf das Land, das verschwunden war. Ein grauschwarzer Nebel hüllte alles ein. Es roch nach Feuer.

Viele, unten im Lager, waren bei dem grellen Blitz und dem Donner aufgesprungen. Sie rannten auf den Hügel, um zu sehen, was sich ereignete. Dort sahen sie … nichts mehr. Ihre Heimat war verschwunden, ausradiert, vernichtet.

Älteste, welche die Katastrophe aus erster Hand gesehen hatten, brauchten Hilfe. Sie saßen entweder im Gras und starrten entgeistert in die grauschwarze Nebelwand oder lagen noch auf dem Boden, das Gesicht unter den Armen versteckt.

Nat-Sirt krabbelte irritiert im Gras, bis er die Kraft hatte, sich aufzusetzen. Klaas kam auf ihn zugerannt, um ihm ganz aufzuhelfen. Beide sahen sich um. Der Älteste vom Stamm des Raben war erblindet. Andere auch. Sie irrten hilflos umher.

Die Heranstürmenden waren entsetzt über das, was sich ihnen als Anblick darbot. Sie wollten zuerst ihren Stammesführern helfen, wurden aber von der apokalyptischen Szenerie gebannt. Erstarrte, panische, tränenvolle, leichenblasse Gesichter. Hilferufe und Wehklagen.

Nat-Sirt und Klaas gingen zu den nächsten Umherirrenden und führten sie zum Lager hinab. Die, denen es gelang, sich aus der Erstarrung zu lösen, führten an Leib und Seele Verletzte zurück. Die Lagerstätte war am Rande eines Flusses aufgebaut worden. Man wollte ihn am nächsten Morgen Richtung Norden überqueren. Heute war an keine Planung zu denken. Die blanke Angst herrschte. Einige scharten sich um den Dorfdruiden. Sie fürchteten, dass der Weltenbrand auch sie noch erreichen würde. Erwarteten, dass sie zusammen mit ihren Ahnen in der Anderswelt das Ende der Schöpfung erreicht hatten.

Nat-Sirt war froh, dass den Seinen nichts passiert war. Es war ungewöhnlich ruhig im Lager. Kaum jemand getraute sich zu sprechen. Wer sich aufraffen konnte, widmete sich Routinearbeiten.

Für den Abend war ein Stammesritual für Cernunnos verkündet worden, der für die Heiligkeit der freien Natur steht und zugleich der höchste Gott des Eichenhaines war.

Heute erschienen keine Sterne am Himmel. Er wurde tiefschwarz. Die Stimmung war sehr gedrückt. Doch alle versammelten sich nach dem Signal aus der Karynx vollständig am Fluss. Diener des alten weisen Druiden errichteten dort einen hölzernen Altar. Sonst wichtige Arbeiten schienen jetzt, im Vergleich zu dieser heiligen Handlung, überflüssig und wertlos. In der Anrufung des Gottes mit dem Hirschgeweih erhofften viele Trost und Errettung.

»Meine Brüder und Schwestern vom Stamm des Raben, des Luchses und des Falken«, begann der Weise seine Ansprache in dieser schweren Stunde. »Den Göttern hat es gefallen, uns zu prüfen. Wir haben alle unser Heim verloren. Wir sind gezwungen, auf Wanderschaft zu gehen. Uns eine neue Bleibe zu suchen.« Der alte weise Druide schien nicht mehr der agile, immer Rat wissende Oberhirte zu sein. Er erschien jetzt alt. Seine Augen waren ohne Feuer. Jedes Wort fiel ihm schwer.

»Wir leben. Unsere Familien leben. Unsere Stämme leben.



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