Das Fest der Schlangen by Dobyns Stephen

Das Fest der Schlangen by Dobyns Stephen

Autor:Dobyns, Stephen [Dobyns, Stephen]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: E-Books der Verlagsgruppe Random House GmbH
veröffentlicht: 2013-05-27T22:00:00+00:00


12

Es regnete die ganze Nacht und bis in den Morgen hinein, gleichmäßig und ohne nachzulassen. Kurz nach sechs Uhr früh saßen Woody und Bobby Anderson in Woodys Tundra draußen am Strand. Woody hatte die Genehmigung, mit dem Wagen auf den Strand zu fahren, obwohl er kaum angelte, und er war fast bis an die Hochwasserlinie herangefahren. Ajax saß auf dem Rücksitz. Er mochte den Regen nicht und roch nach nassem Hund. Woody hatte Kaffee und Donuts von Dunkin’ Donuts besorgt. Es war kaum hell, der Himmel war ein blasses Grau über der Dunkelheit. Die Wellen schienen von nirgendwo hereinzukommen und wurden erst sichtbar, wenn sie sich weiß schäumend brachen. Die Scheibenwischer schlappten träge hin und her.

Woody und Bobby kommunizierten oft in einem entspannten Geflachse, scherzhaft und gut gelaunt. Es war wie eine eigene Sprache, voller Gesten und vielschichtig vibrierend von Ironie, Sarkasmus und Ernsthaftigkeit. Sie hatten sie im Laufe ihrer jahrelangen Zusammenarbeit entwickelt, und nur wenige Leute hatten ein Gespür dafür, die Nuancen herauszuhören, den ernsthaften Sinn in all der Albernheit, oder die Komplexität wahrzunehmen. Bingo Schwartz verstand sie, und es ging ihm auf die Nerven. Frank Montesano verstand sie und fand sie zu eigentümlich mit ihrem Slang, den nur Woody und Bobby verstanden. »Sind wir Bullen«, sagte Bobby etwa. »Sind wir La Flic«, antwortete Woody dann. »Wir sind Cops« – weiter nichts. Pure Albernheit.

Nachdem Nina Lefebvre erhängt im Wald gefunden worden war, hatte dieses Geplänkel aufgehört. Nicht aus Respekt oder einem Gefühl von Ernst. Dass es aufgehört hatte, war ihnen gar nicht bewusst. Es hatte einfach aufgehört, und wann es wieder anfangen würde – falls überhaupt –, wusste niemand.

»Bist du schon mal auf den Gedanken gekommen«, fragte Woody, »dass es noch ein drittes Mädchen geben könnte, vielleicht sogar ein viertes und fünftes, das ein Kind bekommen hat? Könnte sein, dass sie gar nicht im Krankenhaus entbunden haben.«

»Wie willst du das herausfinden?«

»Für den Anfang, indem ich die Lehrer in den Schulen befrage, denke ich. Vielleicht Ninas Freundinnen. Oder ich fange bei Peggy an.«

Bobby starrte aufs Meer hinaus. Er suchte Trost in der steten Wiederholung der Wellen, aber er fand keinen. Im letzten Mai hatte er sich Woodys Truck geliehen und war mit Shawna und den Kindern herausgekommen, um Steine für den Rand des Weges zwischen Einfahrt und Haus zu sammeln. Runde, vielfarbige Steine mit einem Gewicht zwischen fünf und an die zwanzig Kilo. Ihm kam es vor, als wäre das hundert Jahre her.

»Weißt du, das alles entwickelt sich zu einer ziemlichen Sauerei«, sagte Bobby.

Woody gab keine Antwort. Vor wenigen Minuten hatte er ungefähr das Gleiche gesagt.

In der Nacht zuvor waren sie zu dem Farmhaus gefahren, das den beiden Wiccanerinnen gehörte. Die Polizei hatte bereits mit ihnen geredet, und die Frauen waren dabei gewesen, die Glasscherben zusammenzufegen. Schwester Asherah hatte geweint: ein mächtig tutendes Schluchzen, für das sie sich ständig entschuldigt hatte. Schwester Isis konnte sich nicht erklären, warum jemand sie hassen sollte. »Wir sind doch völlig harmlos«, sagte sie.

Ein paar Leute hatten gesehen, wie die Autos die Straße entlangrasten – viertürige Personenwagen, ein Ford, ein Chevrolet, ein paar Jahre alt, dunkel lackiert.



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