Das Fenster zum Hof by Woolrich Cornell

Das Fenster zum Hof by Woolrich Cornell

Autor:Woolrich, Cornell [Woolrich, Cornell]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


Mordspech

Es war später Nachmittag in Chicago, als Brains Donleavy sich aufmachte, seinen Freund Fade Williams zu besuchen. Zu diesem Anlaß trug er einen dunkelblauen, stark taillierten Überzieher, eine Melone, die direkt über seinen Augenbrauen saß, und einen Achtunddreißiger, der seine Achselhöhle liebkoste. Es war ziemlich windig, und er hätte sich ohne diese drei Accessoires den Tod holen können, besonders ohne letzteres.

Fade und er kannten sich seit Jahren. Sie wußten so viel voneinander, daß sie gar nicht anders konnten, als gute Freunde zu sein; der Achtunddreißiger war daher nur reine Gewohnheit und keine Vorsichtsmaßnahme. Fade war, genau genommen, gar nicht der richtige Name dieses Herrn. Es war ein Spitzname, entlehnt von einem Glücksspiel, von dem profanen Zeitvertreib des Würfelns um Geld, wo der Ausdruck »fade« bedeutet, daß der Spieler mit dem Einsatz des anderen mithalten — in anderen Worten: die Herausforderung annehmen will.

Nicht, daß Fade jemals versucht hätte, auf diese Weise zu Geld zu kommen; da gab es bessere und lohnendere Wege. Er war ein semiprofessioneller Alibilieferant, ein Auswegproduzent, jemand, der einem für Geld den Rücken deckte. Wenn er auch die Kunst, mit Zeiten, Orten und Situationen zu jonglieren, nur gegen eine entsprechende Gebühr ausübte, konnte man ihm gleichwohl den Amateurstatus nicht aberkennen; sein Name stand nicht im Branchenverzeichnis, und er hatte auch kein Schild an der Tür, dem man seine Sprechstunden entnehmen konnte. Er mußte einen schon persönlich kennen. Man konnte nicht einfach so bei ihm hereinschneien, eine Anzahlung auf den Tisch knallen und mit einem fein säuberlich in Packpapier eingewickelten Alibi wieder hinausgehen. Wenn er allzu häufig in den Zeugenstand trat, um »irrtümlich« eines Verbrechens beschuldigte Personen reinzuwaschen, würde das Hohe Gericht wohl bald mißtrauisch werden.

Doch Fades Trefferquote war durchweg gut, und wenn man mit ihm handelseinig wurde, hatte man den Freispruch praktisch schon in der Tasche. Aus ebendiesem Grund war Brains Donleavy auch gerade auf dem Weg zu ihm, denn er plante einen Mord.

Diese Bezeichnung hätte Brains entrüstet zurückgewiesen. Für ihn war die ganze Sache nichts weiter als eine »Abrechnung«. Wenn andere Leute töteten, war es Mord, bei ihm aber war es etwas anderes. Er fand, er hatte bei jedem von dem halben Dutzend, das bislang auf sein Konto ging, einen guten Grund gehabt. Er tötete nicht aus Spaß an der Freud, und ebensowenig ging es ihm dabei um Profit; er war einfach nur nachtragend, hatte für bestimmte Sachen ein Gedächtnis wie ein Elefant.

Aber so unerbittlich er sein konnte, wenn es um das Begleichen alter Rechnungen ging, war er doch gleichzeitig auch sehr sentimental veranlagt. Ein altes irisches Volkslied konnte ihn zu Tränen rühren, wenn er ein paar Gläschen intus hatte. Man erzählte, er habe schon mal mitten in der Nacht die Fenster eines Metzgerladens mit Steinen eingeworfen, nur um die darin eingeschlossenen Kätzchen zu befreien.

Jedenfalls steuerte er zielstrebig auf einen der vergammelten Schuppen zu, von denen es hier im Loop District geradezu wimmelte. Über dem Eingang flimmerte in roten Neonbuchstaben der Name ›Oasis‹. Es war kein Night-Club oder Variete, sondern nur eine Bierkneipe, die Fade als Tarnung diente.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.