Das Delta der Venus by Anaïs Nin

Das Delta der Venus by Anaïs Nin

Autor:Anaïs Nin [Nin, Anaïs]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-07-12T22:00:00+00:00


LILITH

Lilith war frigide; und ihr Mann ahnte es, trotz ihrer Vortäuschungen. Dies führte zu folgendem Zwischenfall.

Sie nahm nie Zucker, weil sie, eine mollige Frau, auf ihr Gewicht achten wollte. Sie benutzte also einen Süßstoff. Es waren kleine weiße Tabletten, die sie stets in ihrer Handtasche hatte.

Einmal waren sie ihr ausgegangen. Deshalb bat sie ihren Mann, ihr die Tabletten auf seinem Heimweg zu besorgen. Er brachte ihr ein kleines Glasröhrchen, das so aussah wie das, was sie bestellt hatte. Nach dem Abendessen tat sie zwei dieser Tabletten in ihren Kaffee.

Sie saßen nach dem Essen noch ein wenig zusammen; er beobachtete sie mit jenem Ausdruck gutmütiger Toleranz, den er oft angesichts ihrer nervösen Ausbrüche, ihrer Anfälle von Selbstgefälligkeit, Selbsterniedrigung oder Panik an den Tag legte. Einerlei, wie hysterisch sie sich benahm: Er behielt stets seine gute Laune, verlor nie die Geduld mit ihr. Sie wütete und stürmte allein und regte sich auf - er blieb gelassen und unbeteiligt.

Möglicherweise waren diese Zustände ein Symptom für eine ungelöste Spannung, die sie nicht sexuell abreagieren konnte. Er weigerte sich einfach, auf ihre primitiven, leidenschaftlichen Herausforderungen und Feindseligkeiten einzugehen, er wollte sich ihr nicht in dieser Arena der Gefühle stellen, um ihr Bedürfnis nach Eifersuchtsszenen, Ängsten und streitbaren Auseinandersetzungen zu erfüllen.

Es hätte sein können, daß sie, wäre er auf ihre Herausforderungen und Spielchen eingegangen, sich seiner körperlichen Gegenwart nachdrücklich bewußt geworden wäre. Liliths Ehemann hatte keine Ahnung von all den Vorspielen, die ein sinnliches Begehren entfachen können, er wußte nichts von jenen Anstachelungen, die bestimmte wilde Naturen brauchen. Sowie er merkte, daß ihr Haar zu knistern begann, ihre Gesichtszüge sich belebten, ihre Augen blitzten, ihr ganzer Körper unruhig und ungeduldig wurde wie der eines Rennpferdes, reagierte er, indem er sich hinter eine Mauer sachlichen Verständnisses zurückzog. Er neckte sie ein wenig, er akzeptierte sie, wie man ein Tier im Zoo akzeptiert und sich über seine Possen amüsiert. Aber man blieb draußen, man blieb unberührt. Genau das war es, was Lilith so isolierte; in der Tat war sie wie ein ungezähmtes Tier in einer totalen Wüste.

Wenn sie Szenen machte, wenn ihre Temperatur stieg, war ihr Gatte nirgendwo zu finden. Er war wie der unbewegte Himmel, der auf sie herabsah und abwartete, bis der Sturm sich gelegt hatte. Wäre er, als ein ähnlich primitiv geprägtes Tier, am anderen Ende der Wüste erschienen und hätte sie mit derselben knisternden Spannung in Haaren, Haut und Augen konfrontiert; wäre er mit demselben Urwaldkörper schweren Schrittes und nach einem Vorwand, sie anzuspringen, suchend, sie wild zu umarmen, die Wärme und Kraft seines Widersachers zu spüren, auf sie zugekommen, dann hätten sie zusammen sich wälzen können, ineinander verbissen. Aus dem Ringkampf wäre eine Umarmung geworden, das Geraufe hätte Münder, Zähne, Zungen zusammenbringen können. In dem verbissenen Kampf hätten sich ihre intimsten Zonen aneinander gerieben, Funken hätten gesprüht, die beiden Körper hätten ineinander verschmelzen müssen, damit die unerträgliche Spannung sich löste.

An jenem Abend hatte er sich mit einem sonderbaren Ausdruck in den Augen im Sessel zurückgelehnt. Sie saß unter der Lampe und malte wie



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