Das Buch Gabriel by Dbc Pierre

Das Buch Gabriel by Dbc Pierre

Autor:Dbc Pierre [Pierre, DBC]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 3821861525
Herausgeber: Eichborn AG
veröffentlicht: 2011-08-22T22:00:00+00:00


16

»Ich hab nie behauptet, dass eine Wiener nichts kostet. Ich sage doch nur: Wenn wir sowieso nichts dafür bekommen, dann lieber eine Wiener als eine Bockwurst. Verschenkt sie einfach so achtzig Cent!«

»Meinst du die Bockwürste, die letzte Woche noch sechzig Cent gekostet haben? Sie werden also teurer, wenn sie schon grün sind – so läuft das in Gerds Reich.«

»Ach, Gisela, mein Gott.«

Durch die Tür sehe ich Thomas im Wagen warten, ein dösendes Mädchen an jeder Schulter. Notwendigkeit ist die Mutter des Übermuts, und ich habe ihm gesagt, er solle zehn Minuten warten, während ich die Sicherheit einer Inspektion eruiere. Wenn ich in dieser Zeit nicht zurück wäre, solle er losfahren, wir würden dann am Abend wieder in Kontakt treten. Er war einverstanden, vielleicht war es ihm sogar ein bisschen peinlich, dass er gedacht hatte, wir könnten hier hereinplatzen wie ein Junggesellenabschied.

Zittrig stelle ich mich im Eingangsbereich so hin, dass man mich nicht sehen kann. Übelkeit durchnässt mich von innen, und meine bloßen Füße ziehen die Kälte aus einem Kilometer Steinboden. Meine Haare sind feucht und kleben mir im Gesicht. Mein Mantel ist eine Liaison mit der Natur eingegangen und voller Blätter und Äste. Einige davon krabbeln. Die einzigen Hirnfunktionen, die zu dieser Stunde schon geöffnet haben, sind die Jesuiten, die das Grenzland zwischen Orgie und Kater bewohnen und aus den unschuldigsten Dingen Alpträume spinnen. Sie benennen, was hier gerade passiert: ein Zusammenprall von Welten. Jede für sich genommen vollständig, aber in keinerlei Beziehung zueinander. Eine Welt im Mercedes, eine gänzlich andere im Kiosk.

Und dazwischen stehe ich mit meinen wachsenden Problemen.

»Ich bitte dich«, höre ich Gerd quer durch die menschenleere Eingangshalle. »Wenn man sie erhitzt, sind sie noch vollkommen okay. Meine Mutter würde sie auch in drei Tagen noch essen.«

»Sie muss es ja wissen, nachdem sie seit zwanzig Jahren tot ist.«

»Ach Gott. Warum bist du nur so schwierig?«

»Schwierig? Ich rechne nur aus, wie viel diese Bockwürste dann nächste Woche wert sind. Vielleicht können wir uns ja von den Einnahmen in Italien zur Ruhe setzen.«

»Jetzt sei doch mal realistisch: Nächsten Monat haben wir keine Arbeit mehr, wir müssen aus den letzten paar Tagen so viel wie möglich rausholen. Die Tage werden bestimmt gut fürs Geschäft, so kurz vor der Schließung, lauter Touristen und wer weiß was noch. Vielleicht können wir uns ein kleines Polster verdienen. Und ich verstehe nicht, warum wir unsere beste Ware an Gunnar verschenken sollen. Kriegen Polizisten etwa kein Gehalt? Ist das so eine Mafia-Abmachung? Jagt er den Kiosk in die Luft, wenn er nur eine Wiener bekommt?«

»Oho, der Würstchen-König! Kein Wunder, dass du es dir leisten kannst, in Urlaub zu fahren.«

»Ach, red doch nicht so. Ich wollte dir eine Freude machen, ein bisschen Abstand zu allem wird dir gut tun. Und ich dachte, dir gefällt Kühlungsborn? Ist vielleicht nicht Venedig, aber das Brauhaus ist doch so hübsch, wir können am Meer spazieren gehen und ein Bierchen trinken. Es wird nicht so einfach für uns werden, wenn der Monat rum ist, deswegen sollten wir ein bisschen das Leben genießen, solange der Kiosk noch Umsatz bringt.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.