Das Axtschiff by Jensen Jens Henrik

Autor:Jensen, Jens Henrik [Jensen, Jens Henrik]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783492982412
Herausgeber: Fahrenheitbooks
veröffentlicht: 2015-08-09T16:00:00+00:00

15 Es lichtete sich. Nach dem Chaos folgte Stille. So mußte es sein, und so empfand sie es auch, als sie nach einem ruhigen Tag hinter dem Schreibtisch ihr Fahrrad im Hinterhof aufschloß. Gerade als sie das Rad vom Ständer nahm, bog ein Streifenwagen ein, und die beiden Kollegen vom Bereitschaftsdienst grüßten, als sie vorbeirollten. Nein, ausnahmsweise einmal wollte sie bis zur Kirkegade schieben.

Sie bog ab in die Frodesgade, ging am Rathaus vorbei, überquerte die Straße und folgte dann der Torvegade. Jonas war wie immer beim Fußball. Er kam erst gegen sechs Uhr nach Hause, also konnte sie es genießen, soviel Zeit für sich zu haben. Einfach herumbummeln und die Weihnachtsdekoration in den Straßen anschauen, etwas, das sie noch gar nicht bewußt registriert hatte, obwohl der Schmuck doch schon eine ganze Weile hing.

Die Torvegade war geschmackvoll dekoriert. Sterne, Lichterketten und Girlanden hatten erst ab heute, dem 1. Dezember, so richtig Sinn. »Weihnachten ist das Fest der Herzen.« Das hatte Astrid immer gesagt, es hörte sich an wie aus einer Familienzeitschrift. Sie war zuständig dafür, das kleine Haus in Sønderho zu schmücken, immer am 1. Dezember und immer mit Jørgen in der Rolle des wohlwollenden Betrachters, der das Resultat von seinem Sessel in der Ecke aus bewertete, in dem er jeden Abend zubrachte, mit der Pfeife in Reichweite und umgeben von einer kräftig duftenden Tabakwolke.

Vielleicht war es wirklich das Fest der Herzen? Jonas hatte freudestrahlend das erste Päckchen an dem alten Kalender geöffnet, den Astrid einst für Nina gebastelt hatte und der jetzt ihm gehörte. Sie waren rechtzeitig aufgestanden und hatten es sich mit warmem Kakao in Bademantel und Pantoffeln in der Küche gemütlich gemacht. Zuerst Dickmilch, dann eine Tasse warmer Kakao. Doch, es lichtete sich …

Der ganze lange Tag zusammen mit Martin hatte auch dazu beigetragen. Nach dem Streit am Strand waren der restliche Tag, der Abend und die Nacht ganz okay gewesen.

Inzwischen sah sie alles in etwas rosigerem Licht. Sie hatten sich geliebt, hatten herumgealbert und waren wieder ernst geworden. Sie hatten Wein und Bier mit ins Bett genommen, und zum Schluß war sie in einen tiefen Schlaf versunken, mit dem Kopf auf seiner Brust, nachdem sie vereinbart hatten, daß er am Freitag kommen und Jonas kennenlernen sollte, und dann würden sie zu dritt ins Kino gehen. Wenn sie es genauer betrachtete, hatte sie sich ein wenig mitreißen lassen, und sie war auch nicht mehr so ganz nüchtern gewesen. Aber auf jeden Fall war das nun abgemacht. Vielleicht kam ja etwas Gutes dabei heraus. Der Junge sollte auf jeden Fall nicht in Watte gepackt werden.

Jetzt war sie wieder gesund, ausgeruht und ganz die alte. Sie bereute nichts, weder Estland noch London. Wenn nur diese Zweifel und Fragen, die sie fast jede Nacht quälten, nicht so entsetzlich an ihren Kräften gezerrt hätten.

Am Zebrastreifen gegenüber vom Markt blieb sie stehen. Sie konnte die wenigen Meter die Skolegade hinunter nach Hause gehen, oder aber den Markt überqueren, durch die Fußgängerstraße gehen und dabei gleich einkaufen. Aber warum sich hetzen? Sie entschied sich

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