Das Albtraumreich des Edward Moon by Jonathan Barnes

Das Albtraumreich des Edward Moon by Jonathan Barnes

Autor:Jonathan Barnes
Die sprache: de
Format: mobi
veröffentlicht: 2010-10-07T10:24:31.703000+00:00


DREIZEHN

Mrs Grossmith beugte sich über die Spüle in der Küche und beschäftigte sich emsig mit den letzten Tellern des Tages. Braunes Seifenwasser schwappte fettig über ihre Handgelenke.

Arthur Barge schlich sich ungewohnt verstohlen an sie heran und schmiegte sich traulich an ihre üppig bestückte Hinterseite; schweigend strich er über ihre schon etwas schlaffen Wangen, strich eine verirrte Haarsträhne zur Seite und verschränkte seine leicht zerknitterten Hände mit den ihren. Sie sagte nichts, aber er konnte unter sich spüren, wie sie voll geheimer Lust vibrierte. Ungeschickt und außer Übung nach Jahren des Junggesellendaseins bemühte er sich, seinen Mund an ihrem Ohr vorbei so weit nach vorn zu manövrieren, dass er auf den ihren traf.

Sie machte einen halbherzigen Versuch, ihn von sich wegzuschieben, und murmelte etwas über den Abwasch, ließ sich aber bald von seiner Leidenschaft, seinen Lippen und von seiner flinken, heftig forschenden Zunge zum Verstummen bringen. Erst zaghaft und behutsam, doch mit zunehmender Selbstsicherheit und wachsendem Tatendurst pressten sie sich selig immer enger aneinander. In einer Umarmung erstarrt, küssten sie sich lang und gierig wie zwei vorsintflutliche Echsen, die auf den glutheißen Ebenen des urzeitlichen Afrika ein letztes Mal zur Paarung ansetzten.

Dies jedenfalls war das pittoreske Bild, das Charlotte Moon unwillkürlich vor Augen hatte, als sie in der Tür innehielt und die beiden betrachtete. Sie räusperte sich so laut wie möglich, und prompt schnellten die beiden auseinander wie Figuren in einer Posse. Mit hektisch geröteten Wangen senkte Mrs Grossmith verschämt und ganz benommen den Kopf, während Barge einfach nur stumm dastand, ein dümmliches Grinsen auf dem Gesicht wie ein Schuljunge, dessen schlechtes Gewissen in Wahrheit nur gespielt ist, weil er im tiefsten Inneren stolz darauf ist, bei seiner Missetat ertappt worden zu sein.

»Mrs Grossmith«, sagte Charlotte eisig. »Verzeihen Sie die Störung.«

»Entschuldigen Sie, Miss.« Die Haushälterin strich sich die Schürze glatt und deutete einen unbeholfenen Knicks an. »Ich dachte, Sie wären ausgegangen, zusammen mit Ihrem Bruder und dem Polizisten.«

Charlotte überging die Bemerkung. »Weshalb waschen Sie das Geschirr? Das gehört doch wohl zu den Pflichten des Hotelpersonals!«

»Ich habe die Verantwortung für Mister Moon. Ich sorge lieber selbst für ihn, soweit es geht.«

Charlotte hielt ihr ein gefaltetes Blatt Papier hin. »Würden Sie auch dafür sorgen, dass mein Bruder dies hier bekommt?«

»Sie verlassen uns?« Mrs Grossmith klang nicht über Gebühr enttäuscht von dieser Aussicht. »Könnten Sie nicht noch ein Stündchen bleiben? Mister Moon wird bald zurück sein, und ich bin sicher, er würde sich gern persönlich von Ihnen verabschieden.«

»Es ist besser, ich gehe jetzt gleich.«

»Wenn Sie meinen.«

»Ja, das meine ich.«

»Darf ich Sie etwas fragen?« Mrs Grossmith zögerte. »In all den Jahren, die ich nun schon für Mister Moon arbeite, hat er Sie kein einziges Mai erwähnt. Ich möchte nicht indiskret erscheinen, aber …«

»Aber Sie wollen den Grund dafür wissen?«

»Nun ja …«

»Mein Bruder und ich haben ein ungewöhnliches Verhältnis zueinander. Wenn wir zu lange zusammen sind, pflegen sich unweigerlich gewisse Dinge zu ereignen – Dinge, bei denen man vorzöge, sie würden sich nicht ereignen, wenn Sie verstehen.«

»Nein. Ehrlich gesagt, verstehe ich nicht.«

»Glauben Sie mir, es ist für uns beide das beste, wenn wir voneinander getrennt sind und es bleiben.



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