Darkness - Wettlauf mit der Zeit by Douglas Preston; Lincoln Child

Darkness - Wettlauf mit der Zeit by Douglas Preston; Lincoln Child

Autor:Douglas Preston; Lincoln Child
Die sprache: de
Format: mobi
ISBN: 9783426411001
Herausgeber: Knaur e-books
veröffentlicht: 2011-10-18T22:00:00+00:00


36

Paul Bitterman trat aus dem Fahrstuhl, schwankte und hielt sich an dem polierten Chromgeländer fest. Die Britannia fuhr in schwerer See, aber das war nur ein Teil des Problems; Bitterman kämpfte mit der konzertierten Wirkung eines übermäßig gehaltvollen Dinners und neun Gläsern alten Champagners.

Immer noch die Hand am Geländer, blickte er den eleganten Gang auf Deck 9 rauf und runter und versuchte, sich zu orientieren. Er hob eine Hand an den Mund und produzierte bewusst einen Rülpser, der – ekelhaft – nach Kaviar, Trüffelpastete, Crème brulée und trockenem Champagner schmeckte. Er kratzte sich träge. Irgendetwas sah hier nicht richtig aus.

Nach etwa einer Minute war er dahintergekommen. Statt den Aufzug an Backbord zu nehmen, so wie er es meistens tat, hatte er in seinem Champagnerrausch irgendwie den Steuerbordfahrstuhl genommen. Na ja, das ließ sich leicht wieder hinbiegen. Er summte unmelodisch und tastete in der Hosentasche nach seiner Ausweiskarte zur Suite 961. Er ließ das Geländer los, ging eine kurze Strecke vorsichtig in die, wie er glaubte, richtige Richtung – aber nur um festzustellen, dass die Zimmernummern in die falsche Richtung wiesen.

Er blieb stehen; drehte sich um; rülpste noch einmal, diesmal ohne sich die Mühe zu geben, die Hand vor den Mund zu halten; dann ging er zurück in die andere Richtung. Er war wirklich erstaunlich benebelt, und um etwas klarer im Kopf zu werden, versuchte er, die Ereignisse zu rekonstruieren, die ihn – zum ersten Mal in seinen dreiundfünfzig Jahren – in einen Zustand gebracht hatten, der Betrunkenheit nahekam.

Das Ganze hatte am Nachmittag begonnen. Seit dem Aufwachen war er seekrank – hatte keinen Bissen herunterbekommen –, außerdem schien keines der rezeptfreien Medikamente aus der Schiffsapotheke auch nur im Geringsten zu helfen. Schließlich war er in die Krankenstation gegangen, wo ihm ein Arzt ein Scopolamin-Pflaster gegeben hatte. Er hatte es sich, wie vorgeschrieben, hinter das Ohr geklebt und war in seine Suite zurückgegangen, um ein Nickerchen zu halten.

Ob es die elende Nacht gewesen war, die er verbracht hatte, oder ob das Pflaster selbst ihn schläfrig gemacht hatte, wusste Paul Bitterman nicht. Doch als er um Viertel nach neun abends aufgewacht war, war er gottlob frei von Seekrankheit und hatte einen trockenen Mund und einen übermenschlichen Hunger. Er hatte sein turnusmäßiges Acht-Uhr-Dinner verschlafen, aber mit einem kurzen Anruf hatte er sich eine Reservierung für die letzte Essensschicht des Abends, um halb elf im Kensington Gardens gesichert.

Wie sich dann herausstellte, gefiel das Kensington Gardens ihm ungeheuer gut. Es war schicker, jugendlicher und hipper als das reichlich spießige Restaurant, in dem er bisher gegessen hatte, es gab ein paar wirklich appetitliche Frauen anzuschauen, und das Essen war ausgezeichnet. Überraschenderweise war das Restaurant nicht voll – ehrlich gesagt, war es halbleer. Weil er einen Riesenappetit hatte, bestellte er Chateaubriand für zwei und aß dann die gesamte Portion. Eine ganze Flasche Champagner hatte zwar gereicht, um seinen Durst zu löschen, aber der aufmerksame Weinkellner war nur zu glücklich gewesen, ihm eine zweite zu bringen.

Am Nebentisch hatte man über merkwürdige Dinge gesprochen: Ein besorgt aussehendes Ehepaar unterhielt sich über irgendeine Leiche, die anscheinend aufgetaucht war.



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