Damit ihr mich nicht vergesst - Die wahre Geschichte eines letzten Wunsches by Mitch Albom

Damit ihr mich nicht vergesst - Die wahre Geschichte eines letzten Wunsches by Mitch Albom

Autor:Mitch Albom
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Goldmann
veröffentlicht: 2010-06-06T00:00:00+00:00


Kirche

Als ich die Kirche betrat, nickte mir ein magerer Mann mit hoher Stirn zur Begrüßung zu, überreichte mir einen weißen Umschlag für Spenden und bedeutete mir, dass ich mich setzen könne. Draußen regnete es heftig, und durch das große Loch in der Decke tropfte fortwährend Wasser, das von den roten Eimern aufgefangen wurde.

Die Kirche war fast leer. Neben dem Altar saß ein Mann an einer Hammondorgel und spielte gelegentlich einen Akkord, den ein Drummer mit einem Trommelschlag unterstrich. Die Wände der großen, leeren Kirche warfen das Echo zurück.

Pastor Henry stand in einem langen blauen Talar neben dem Altar und wiegte den Oberkörper vor und zurück. Er hatte mich immer wieder zu seinem Gottesdienst eingeladen, und ich hatte mich schließlich darauf eingelassen, obwohl ich selbst nicht genau wusste, weshalb. Vielleicht aus Neugierde. Vielleicht aber auch, weil ich mich davon überzeugen wollte, ob eine Spende unserer Organisation hier sinnvoll wäre. Pastor Henry hatte mir sämtliche Details seiner kriminellen Geschichte – Drogen, Waffen, Haftstrafen – offenbart. Einerseits fand ich es ehrenwert, dass er so aufrichtig war; andererseits bot seine Vergangenheit mir aber nicht gerade Anlass, in seine Zukunft zu investieren.

Aber er strahlte auch etwas Trauriges und Erschöpftes aus, als habe er die Welt – oder wenigstens bestimmte Seiten von ihr – gründlich satt. Und ich musste zwar unwillkürlich an den Spruch denken »traue niemals einem fetten Priester«, hatte aber wiederum wenig Bedenken, dass Henry Covington sich an seiner Gemeinde bereicherte. Da gab es nämlich nichts, woran man sich bereichern konnte.

Er blickte auf, sah mich an und fuhr mit seiner Predigt fort.

Henry Covington wurde 1992 von Bischof Roy Brown von der Pilgrim Assemblies International in New York nach Detroit entsandt. Brown hatte Henry in seiner Kirche entdeckt, sich seine Geschichte angehört und ihn mit in Gefängnisse genommen, wo er Zeuge davon wurde, wie Insassen auf Henrys Berichte reagierten. Daraufhin bildete er Henry aus, ernannte ihn zum Diakon und schickte ihn in die Motor City.

Henry hätte für Bischof Brown alles getan. Er zog mit seiner Familie in ein Ramada Inn in Downtown Detroit. Man bezahlte ihm dreihundert Dollar die Woche, um eine neue Pilgrim-Gemeinde aufzubauen. Bischof Brown hatte ihm einen alten schwarzen Wagen überlassen, nicht zuletzt, damit er an den Wochenenden in Detroit Gottesdienste abhalten konnte.

Mittlerweile war Henry Covington für drei Pastoren tätig, von denen jeder seine Lernbereitschaft und seinen leichten Zugang zu Menschen zu schätzen wusste. Er wurde zum Kirchenältesten und schließlich zum Pastor befördert. Doch dann ließ das Interesse der Pilgrim Assemblies nach, Bischof Brown stattete ihm keine Besuche mehr ab, und damit schwanden auch Henrys Geldquellen.

Er wurde ins kalte Wasser geworfen.

Sein Haus wurde gepfändet und von den Sheriffs mit einem Schild versehen. Man stellte ihm Wasser und Strom ab. In der Kirche ging inzwischen die Heizung kaputt, und die Rohre waren undicht. Drogendealer tauchten auf und versprachen Henry, dass er in Kürze keine Geldsorgen mehr hätte, wenn sie die Kirche als Verteilerzentrale benutzen könnten.

Doch mit diesem Leben als Krimineller hatte Henry endgültig abgeschlossen.

Er trat die Flucht nach vorne an, gründete die Gemeinde



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