Daemmerschoppen - Geschichten von drinnen und draussen by Bernd-Lutz Lange

Daemmerschoppen - Geschichten von drinnen und draussen by Bernd-Lutz Lange

Autor:Bernd-Lutz Lange [Lange, Bernd-Lutz]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Aufbau Verlag
veröffentlicht: 2012-09-16T22:00:00+00:00


Einmalig

Ein Volk ging im Herbst 1989 auf die Straße und gab dadurch den Banken ihr Eigentum zurück.

Sie hatten ihre Häuser als erste wieder.

Als das Schild »Staatsbank der DDR« abgenommen wurde, kam im Stein in verblichenen Buchstaben »Deutsche Bank« zum Vorschein. Etwas Goldbronze war schnell zur Hand und der vierzigjährige Schlummer der zwölf Buchstaben beendet.

Die Welt war wieder heil.

Aber hat sich die Bank bei Ihnen bedankt?

Wandel

Haben Sie einen guten Hauswirt? Ja!? Ein Glück für Sie, denn ein solcher ist heute wieder Gold wert! Ich will Ihnen von dem Haus erzählen, in dem ich in Leipzig wohne. Mein Hauswirt hieß bis vor ein paar Jahren VEB Gebäudewirtschaft Leipzig und hatte, wie Sie wissen, nicht sehr viel Interesse an Haus und Hof. Vielleicht entsinnen Sie sich noch des schönen Sprichworts: »Ruinen schaffen – ohne Waffen!«

Im Abrüsten von Wohnhäusern war der VEB Gebäudewirtschaft Leipzig Weltspitze! Man hatte für diesen Zweck sogenannte Techniker eingestellt … Mit einem dieser Techniker besichtigte ich eine schöne große Altbauwohnung, die wir uns im Leipziger Süden ertauscht hatten.

Aber der Zustand!

Wir kamen in ein Zimmer, in dem durch einen Dauerwasserschaden die nackte Ziegelwand zu sehen war. Als ich den Mann fragte, was denn nun hier werden würde, strahlte er mich an und sagte: »Herr Lange, das Zimmer ist überhaupt kein Problem, das hamm mir schon aus der Miete rausgenomm!«

So einfach wurden seinerzeit die Probleme gelöst! Ein weiteres Problem, nämlich der absturzgefährdete Balkon, wurde dadurch beseitigt, daß wir ihn nicht mehr betreten durften und dafür allmonatlich die stolze Mietnachlaßsumme von einer Mark fünfzig erhielten! Dies nur als Hinweis für unsere westdeutschen Leser, damit sie endlich einmal erfahren, warum wir alle im Osten über die Jahrzehnte so viel Geld zusammenhorten konnten!

Ich gestehe, daß wir unseren Balkon dennoch betreten. Ich bestellte mir einen Statiker, der ihn sich genau betrachtete und sagte: »Herr Lange, es sieht wirklich sehr böse aus, aber – wir wollen mal hoffen! Er wird Sie schon noch ertragen! Sie müssen nur acht geben, wenn’s knistert. Dann sollten Sie ganz schnell reingehen!«

Nun hoffe ich nur, daß ich mit steigendem Alter und allmählich nachlassendem Gehör zur rechten Zeit … Sie wissen schon!

Doch zurück zu dem Zimmer mit der nackten Ziegelwand. Zum Glück lernte ich kurze Zeit darauf jemanden kennen, der Beziehung zu jemandem hatte, der wiederum jemanden kannte, der ein großer Kabarettfreund war!

Sie erinnern sich, Kabarettkarten waren einst fast so kostbar wie Westgeld!

Also, der Mann kam mit einer ausleierbaren Leiter auf unseren Hof, kletterte hinauf, wechselte ein Stück Fallrohr, und in zwanzig Minuten war die Hauswand eines vierstöckigen Jugendstil-Hauses trockengelegt!

Das Zimmer selbst ist heute noch aus der Miete herausgenommen – woher sollte die Gebäudewirtschaft jemals erfahren haben, daß der Schaden beseitigt war!

Einen weiteren Wasserschaden behob ich selbst, indem ich mit zitternden Knien auf ein nicht gerade vertrauenerweckendes Dach stieg und dort drei Eimer Dreck aus der Dachrinne kratzte, die ich meiner Frau in die Bodenkammer reichte.

Und da andere Hausbewohner ähnlich verfuhren, war unser Haus einfach nicht kaputt zu kriegen. Auch wenn sich der VEB Gebäudewirtschaft noch so sehr nicht darum kümmerte.

Dann kam der Herbst 1989.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.