DAS TOR ZUM ALL by Marion Zimmer Bradley
Autor:Marion Zimmer Bradley [Bradley, Marion Zimmer]
Die sprache: eng
Format: epub
Tags: Science Fiction
Herausgeber: Apex-Verlag
veröffentlicht: 2017-02-20T23:00:00+00:00
Langsam wurde es Tag, und mit den ersten Lichtstrahlen kam Dallisa mit dem weißen Chak, der mit
boshaft-unbeteiligtem Gesicht schnüffelnd die ärmliche Halle durchquerte. Sie brachten mich in eine tieferliegende Zelle, wo der Sonnenaufgang kaum wahrnehmbar war. »Die Sonne ist aufgegangen«, sagte Dallisa.
Ich sagte nichts, denn jedes Wort konnte als Eingeständnis der Niederlage gewertet werden. Ich war entschlossen, ihr keinen Vorwand zu liefern. Aber ich fröstelte und hatte das unbestimmte Gefühl, dass sich die Haare auf meinen Unterarmen vor Spannung und Angst steil aufrichteten.
»Er ist noch nicht untersucht worden«, sagte Dallisa zu dem Chak. »Schau nach, ob er keine anästhetische Droge genommen hat.«
Obwohl ich mich in diesem Moment fragte, warum ich nicht selbst auf diese Idee gekommen war, musste ich ihr die Gründlichkeit, mit der sie zu Werke ging, anrechnen. Drogen hätten mein Bewusstsein ausschalten oder mich zumindest gegen die Realität abkapseln können. Der weiße Nichtmensch machte einen Satz vorwärts und band meine Arme mit eisenharten Händen. Dann riss er mir den Mund auf. Ich spürte, wie seine Finger meinen Gaumen abtasteten. Ich würgte, setzte mich instinktiv zur Wehr und war nahe daran, mich zu übergeben.
Dallisas Giftbeerenaugen sahen mich, als ich mich aufzurichten versuchte und alles tat, um meinen Ekel zu überwinden, von oben herab an. Irgendetwas in ihrem unbeteiligt wirkenden Gesicht führte dazu, dass ich mich beherrschte. Ich hatte einen Moment lang aus Wut über meine verletzten Gefühle gerast. Jetzt wurde mir klar, dass es eine vorausberechnete, sorgfältig geplante Geste gewesen war, damit ich die Selbstkontrolle verlor und meine eigene Widerstandskraft schwächte.
Wenn sie mich dazu bringen konnte, in Wut zu geraten und meine Kraft in einem Zornesausbruch zu vergeuden, kämpfte meine eigene Vorstellungskraft auf ihrer Seite und würde dafür sorgen, dass ich schon vor dem Ende keine Kontrolle mehr über mich besaß. Im Blick ihrer Augen schwimmend wurde mir klar, dass sie nicht einen Moment lang geglaubt hatte, ich hätte Drogen zu mir genommen. Und da sie Kyrals Hinweis - dass ich ein Terraner sei - folgte, hatte sie sich des Wissensvorteils um die terranische Abneigung gegenüber Nichtmenschen bedient.
»Verbinde ihm die Augen«, befahl Dallisa. Dann gab sie plötzlich eine Gegenanweisung: »Nein, fessele ihn zuerst zu
Ende.«
Der Chak riss mir Hemd, Schuhe und Hosen vom Leib. Meinen ersten Triumph hatte ich, als die striemigen Klauenverletzungen offenlagen, die meine Schultern zierten, denn sie waren, falls das überhaupt möglich war, noch schlimmer anzusehen als meine Gesichtsnarben. Der Chak riss in verschrecktem Entsetzen seine Schnauze hoch. Dallisa zuckte zusammen. Ich konnte beinahe ihre Gedanken lesen: Wenn er das ausgehalten hat - wie kann ich dann noch hoffen, ihn um Gnade winseln zu sehen?
Ich erinnerte mich kurz an die Monate, in denen ich halbtot im Fieber dagelegen und darauf gewartet hatte, dass die von Rakhal hervorgerufenen Wunden heilten. Ich war monatelang der Ansicht gewesen, dass mich von nun an nichts mehr würde schmerzen können - dass ich die schlimmsten Leiden hinter mir hatte, die es gab. Aber damals war ich jünger gewesen.
Dallisa ergriff zwei kleine, scharfe Messer, wog sie kurz in den Händen und gab dem Chak einen Wink.
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