Dünenfluch Kriminalroman by Sven Koch

Dünenfluch  Kriminalroman by Sven Koch

Autor:Sven Koch [Koch, Sven]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783426441374
Herausgeber: Knaur e-books
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


33.

Willem Leefmann betrachtete die Schwärze in seiner Tasse. Der Kaffee ließ ihn an einen Strudel denken, der ihn mit sich in die Finsternis riss. Beinahe wartete er darauf, dass Tentakel durch die Reste der Crema schießen würden, um ihn mit einem Ruck in eine bodenlose Tiefe zu reißen.

Das Grauen, dachte er. Das Grauen.

Ilona war heute früh im Supermarkt gewesen und hatte Brötchen fürs Frühstück geholt. Dort hatte sie gehört, dass Hespe tot war. Und dass die Polizei Sabine verhaftet hatte. Man musste kein Hellseher sein, um sich vorzustellen, wonach sie Sabine fragen würden und was dabei alles ans Licht käme. Unter anderem würde die Polizei Sabine zweifellos die Frage nach einem Alibi stellen, und Sabine würde antworten: Klar habe ich eins, ich habe mich wieder mal von Willem Leefmann vögeln lassen, brauchen Sie seine Telefonnummer?

Und das wäre nur eine Facette des Grauens, über das Leefmann gerade nachdachte. Mit einem Mal stand für ihn alles auf dem Spiel. Seine gesamte Existenz. Die Familie. Alles. Aber wie sagte man im Norden? Nicht lang schnacken, Kopp in’ Nacken.

»Du hast ja gar nichts angerührt«, sagte Ilona.

Sie kam aus dem Bad und weckte Leefmann mit ihrer Bemerkung aus den düsteren Gedanken. Er blickte auf und sah noch den Rücken seiner Tochter Gabriele in der Haustür verschwinden, die mit einem Rums hinter ihr zufiel. Sie trug eine große Umhängetasche, in der ihre Schulsachen verstaut waren. Immerhin hatte Leefmann heute wenigstens einen Hauch von Gabi zu Gesicht bekommen, im Gegensatz zu den letzten Tagen, in denen sie sich in ihrem Zimmer verbarrikadiert hatte. Jonas, sein Sohn, hockte im Schneidersitz auf dem Wohnzimmerteppich und zockte irgendein Autospiel auf der X-Box. Er musste erst zur zweiten Stunde in die Schule. Das Röhren von Motoren donnerte basslastig aus der Surround-Anlage.

»Willem?«

»Hm?«

»Wieso frühstückst du nichts?«

»Irgendwas mit dem Magen.« Er stand auf.

Ilona lupfte skeptisch eine Braue. »Du hast doch einen Kuhmagen.«

Leefmann zuckte mit den Achseln und leerte den Becher.

»Und dann trinkst du Kaffee, wenn du es mit dem Magen hast?«

Leefmann mahlte auf den Backenzähnen. »Schatz, kannst du einfach mal etwas akzeptieren, was ich sage? Ein einziges Mal?«

»Ich meine ja nur.«

»Mir ist nicht nach Essen. Mir ist aber nach Kaffee. Punkt.«

»Ich habe extra Brötchen geholt.«

Leefmann mahlte wieder auf den Backenzähnen. Er hätte am liebsten erwidert, wohin sie sich die Brötchen stecken könne, ließ es aber bleiben. Er öffnete den Mund, um zu wiederholen, dass er eben nun mal keinen Appetit habe.

Stattdessen blaffte er in Richtung Wohnzimmer: »Und wenn du den Scheiß nicht sofort leiser machst, Jonas Leefmann, dann schmeiße ich das blöde Ding in das Hafenbecken!«

Ilona zuckte zurück. Jonas reagierte lediglich mit einer leichten Handbewegung und stellte den Ton mit der Fernbedienung um etwa null Komma eins Prozent leiser. Er war mit dem blöden Ding regelrecht verwachsen. Leefmann verzichtete darauf, erneut auszurasten. Wenn man Jonas das Zocken untersagte, war er noch schrecklicher gelaunt als Gabriele, und zwei Teenager im Stimmungstief war das Letzte, was Leefmann brauchte.

Ilona räumte demonstrativ die Brötchen weg – und zwar mit spitzen Fingern und einem vorwurfsvollen Blick. Nach mehr als zwanzig Jahren Ehe wusste sie, wie sie ihren Mann zur Weißglut bringen konnte.



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