Cyrus Doyle und der herzlose Tod by Lucas Jan

Cyrus Doyle und der herzlose Tod by Lucas Jan

Autor:Lucas, Jan [Lucas, Jan]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Aufbau Digital
veröffentlicht: 2017-03-05T23:00:00+00:00


Fünfter Tag

Montag, 1. September

Kapitel 14

Der Wecker sah aus wie ein Kriegsschiff aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs, und er spielte in ohrenbetäubender Lautstärke Rule Britannia. Es war nicht Doyles Wecker, und er hörte ihn zum ersten Mal, aber er hasste ihn von der ersten Sekunde an. Es war auch nicht sein Bett, in dem er erwachte, aber das hasste er nicht. Neben ihm räkelte sich Sharon so, wie der Herr sie erschaffen hatte, und da der größte Teil ihres Körpers nicht von der leichten Sommerbettdecke verhüllt wurde, war es ein faszinierender Anblick.

Die Erinnerung an die vergangene Nacht kehrte zurück. Beide hatten das Zusammensein genossen, so dass der Schlaf eindeutig zu kurz gekommen war. Er beugte sich über Sharon, strich mit dem Zeigefinger eine dichte Strähne ihres brünetten Haars aus ihrem Gesicht und küsste sie zärtlich auf die Wange.

»Guten Morgen, mein Vögelchen.«

Das war eine Anspielung auf den Namen des Brehaut-Hauses, in das sie gestern Abend nach ihrem Ausflug in die Saints Bay gegangen waren: »Little Bird«.

Ein undefinierbarer Laut irgendwo zwischen Stöhnen und Seufzen war die Antwort, und er fuhr fort: »Falls du dich zu vollständig artikulierten Silben entschließen kannst, würde ich gern wissen, wie man den Höllenlärm ausschaltet. Oder muss ich dieses Prunkstück der Royal Navy erst versenken?«

»Vorderer Schornstein, drücken«, murmelte Sharon undeutlich, und er tat es.

Augenblicklich erstarben die blechernen Klänge, und man hörte durch das leicht geöffnete Fenster sogar die Vögel zwitschern.

War die Sonne bereits aufgegangen? Jedenfalls drang durch die zugezogenen Vorhänge genug Licht ins Zimmer, dass er die Zeiger der Schiffsuhr erkennen konnte.

»Halb sieben? Du stehst ja genauso früh auf wie ich.«

»Auch in meinem Job fängt nur das frühe Vögelchen den Wurm. Das solltest du eigentlich von deiner Carol wissen.«

»Sie ist nicht meine Carol, nicht mehr«, blaffte Doyle. »Wie es aussieht, muss ich das erst in einer ganzseitigen Anzeige im Spectator kundtun, bevor es jemand glaubt.«

Sharon stützte einen Ellbogen auf die Matratze und legte ihre rechte Wange in die nach hinten gebogene Hand, um ihn mit einem frechen Lächeln anzusehen.

»Das wollte ich doch nur hören, du Dummkopf.«

»Frauen und ihre Spielchen«, sagte er mit nicht ernst gemeintem Tadel, als er sich vorbeugte, um sie erneut zu küssen.

Diesmal war es kein Kuss auf die Wange, sondern eine lange, leidenschaftliche Berührung ihrer Lippen und Zungen. Er wollte sich wieder neben ihr in das Bett sinken lassen, das noch die Wärme und den Geruch ihrer Körper verströmte, aber sie stieß ihn von sich weg.

»Was soll das?«, fragte er empört.

»Ich muss ins Büro, du musst ins Büro«, sagte sie mit einer keinen Widerstand duldenden Vernunft. »Also ab ins Bad mit dir, sonst gehe ich zuerst. Und du weißt ja, was man gemeinhin über die Aufenthaltsdauer von Frauen im Bad sagt.«

»Ich halte mich dort auch gern mit dir zusammen auf«, startete er einen letzten und, wie er sich eingestehen musste, plumpen Versuch.

Sharon lächelte wie eine Verkäuferin, die einem Kunden nach Ladenschluss den Zutritt verwehrt. »Geht nicht, ist zu klein.«

Damit hatte sie recht. »Little Bird« war ein kleines Haus, und Sharon bewohnte das Obergeschoss, ihre Mutter das Erdgeschoss.



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