Chris Karlden - Unvergolten by Chris Karlden - Unvergolten

Autor:Chris Karlden - Unvergolten [Karlden, Chris]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783955305604
Herausgeber: Edel eBooks
veröffentlicht: 2015-05-16T16:00:00+00:00

31

Linda erwachte am frühen Morgen. Mit schmerzenden Gliedern erhob sie sich aus dem Sessel. Daniela schlief noch immer neben ihr auf der Couch. Leise schlich Linda durch den Flur aus dem Haus und ging die wenigen Meter zurück zu ihrem Haus. Die frische Luft ließ sie schnell wach werden und sorgte für einen klareren Kopf. Doch die paar Stunden auf dem Sessel in Danielas Wohnzimmer würden ihr noch für eine Zeit lang in den Knochen stecken. Viele Male war sie aus einem nur oberflächlichen Schlaf erwacht, aber gleich wieder eingeschlafen. Zu ihrer Verwunderung hatte sie weder von Walkowski noch von Mark geträumt. Nein, wieder einmal waren es schlicht Albträume gewesen, in denen sie auf die eine oder andere Art zu Tode kam. Also nichts Besonderes. Dennoch versetzten solche Nächte ihre Nerven in Aufruhr. Albträume dieser Art belasteten sie auch über den Tag hinweg. Und jetzt musste sie sich auch noch fragen, ob diese Stimmen kurz vor dem Einschlafen schon Teil eines Traumes gewesen waren oder zu den Symptomen gehörten, die Dr. Kreutzer einer Schizophrenie zugeordnet hatte.

Linda öffnete die Haustür in böser Erwartung. Es hätte sie nicht verwundert, gleich im Flur Spuren eines erneuten nächtlichen Besuchers vorzufinden. Sie fragte sich sogar, ob das nicht sogar gut gewesen wäre. Dann hätte jedenfalls festgestanden, dass sie Marks Arbeitszimmer nicht selbst in solch eine Unordnung gebracht hatte, wie es für gewöhnlich nur Einbrecher tun. Aber da war nichts dergleichen.

Bevor sie sich eine Kanne Tee aufsetzte, nahm Linda jedes einzelne Zimmer in Augenschein. Bei ihrem Rundgang kamen immer wieder die Bilder des gestrigen Abends in ihr zum Vorschein. Wenigstens konnte sie sich jetzt absolut sicher sein, dass Walkowski tot war. Sie ertappte sich dabei, dass sie Genugtuung darüber empfand. Gleichzeitig gewannen Schwarzenbergs Worte, die sie als Vorwarnung einstufte, wieder an Wirkung. Schon bald würde eine Mordkommission sie als Verdächtige betrachten. Die Vorstellung, dass andere Menschen von ihr dachten, sie könnte einen Menschen getötet haben und sei eine Mörderin, löste Verzweiflung und Scham in ihr aus. So wollte sie nicht gesehen werden. Doch sie konnte nichts dagegen tun. Schmerzhaft wurde ihr bewusst, dass sie nicht nur ihren Mann und vielleicht ihre geistige Gesundheit verloren hatte. Diese Ermittlungen würden, wenn sie öffentlich wurden, auch das Bild, das die Menschen von ihr hatten, für immer verändern. Wie sollte sie unter diesen Umständen je wieder unterrichten? Aber noch war es ja nicht so weit. Vielleicht würde es nicht so weit kommen und der wahre Täter würde schnell gefasst. »Aber das bist doch du!«, schallte es auf einmal in ihr. Sofort presste sie die Hände gegen den Kopf, sodass es schmerzte. Doch die Stimme ließ sich dadurch nicht vertreiben.

»Du kannst doch auch ganz anders sein. Du bist nicht immer nur die zartbesaitete Grundschullehrerin. Du kannst auch die Krallen ausfahren, wenn es nötig ist.«

»Nein, nein, nein, ich habe keine Ahnung, wovon du redest«, schrie Linda. »Das sind Auswüchse der Krankheit. Das bin ich nicht. Ich kann niemandem etwas zuleide tun.« Linda bemerkte erst jetzt, dass sie mit sich selbst gesprochen hatte. Aber sie war nicht so, wie diese Stimme es zum Ausdruck brachte.

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