Charlottes Welt (German Edition) by Fröhlich Susanne

Autor:Fröhlich, Susanne [Fröhlich, Susanne]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783104006369
Herausgeber: FISCHER Kinder- und Jugendbuch E-Books
veröffentlicht: 2010-06-13T16:00:00+00:00

Ben läuft Halbmarathon. Ich gucke sofort bei Google nach, wie lange so ein Halbmarathon eigentlich ist. 21 ,0975 km. Das ist ungefähr die Strecke von unserem Kaff Götzenhain bis Frankfurt und wieder zurück. Was für eine Vorstellung! Unglaublich weit. Und das rennt Ben am Stück! Wieso tut sich jemand das an? Er ist also definitiv ein sportlicher Typ, aber das hätte man bei seinem Aussehen auch vermuten können.

Leider bin ich nicht unbedingt besonders sportlich. (Das bisschen Karate und der Schulsport zählen nicht wirklich.) Jedenfalls bis heute nicht gewesen. Aber das kann man ja ändern. Schließlich weiß er ja nicht, dass ich eigentlich ein Sportmuffel bin. Er kennt mich ja überhaupt nicht. Keine Ahnung, ob der mich überhaupt je wahrgenommen hat. Aber das Nichtkennen ist mitunter ja auch ein Vorteil. Man kann sich quasi neu erfinden. Ich werde deshalb sofort mit dem Training beginnen, dann habe ich auf der Party auf jeden Fall ein Thema für die erste Kontaktaufnahme. Ich kann so beiläufig was vom Laufen sagen, und wir haben sofort ein gemeinsames Hobby. Perfekt!

Ich krame meine Turnschuhe raus und ziehe Sportsachen an, obwohl ich wirklich keinerlei Lust habe. Aber darum geht es in diesem Fall eben auch nicht. Eine kleine Runde Joggen wird mir meine Mutter trotz des Hausarrests sicherlich nicht verweigern. Sport ist ja gesund, und da sollten Eltern doch, ehrlich gesagt, begeistert sein, wenn ihre Kinder freiwillig Sport treiben wollen.

Meine Mutter zeigt leider keinerlei Zeichen von Begeisterung. Sie ist eher erstaunt. »Seit wann joggst du denn?«, fragt sie nur.

»Seit heute!«, antworte ich, aber sie bleibt skeptisch.

»Wo willst du denn wirklich hin?«, hinterfragt sie meine Sport-Ambitionen.

»Einfach nur mal ein bisschen an die frische Luft, ein paar Kilometer rennen. Halt nur so«, gebe ich eine etwas dürftige Erklärung. Geht die doch nichts an, warum ich auf einmal zur Joggerin werde.

»Eigentlich, Charlotte, hast du Hausarrest«, sagt sie, und das eigentlich macht mir Hoffnung.

»Nur ein halbes Stündchen«, bettele ich, »selbst Häftlinge haben doch Freigang.« «

Sie runzelt zwar die Stirn, nickt aber dann und erlaubt mir eine Runde durch die nahe gelegenen Felder.

Zum Glück ist Joggen keine komplizierte Sportart. Jeder kann es. Man muss einfach nur rennen. Nach fünf Minuten ist mir langweilig. Ich denke an Ben. Noch mal fünf Minuten. Immer noch langweilig. Wie kann Ben nur stundenlang einfach so durch die Gegend rennen? Was findet der nur daran? Ob er mit Sonnenbrille läuft? Hätte ich bloß meinen iPod mitgenommen. Musik würde die Rennerei vielleicht erträglicher machen. Nach genau dreizehneinhalb Minuten bin ich ziemlich fertig, meine Oberschenkel brennen, ich bin atemlos und muss auf dem Weg zurück tatsächlich zwischendrin gehen. Ich hätte nicht gedacht, dass meine Kondition so bescheiden ist. Gut, dass mich niemand gesehen hat. Angeblich erzeugt Joggen Glückszustände. Ich scheine die berühmte Ausnahme zu sein. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Laufen meine neue Lieblingsbeschäftigung wird. Gott, ist das schnarchlangweilig. Aber manchmal muss man sich halt überwinden. Langweile hin oder her. Und mal abgesehen vom Ben-Aspekt macht Joggen angeblich eine Mörder-Figur. Zwei Pluspunkte gegen einmal Langeweile. Ich werde es wieder tun! Wenn ich erst mit Ben meine Runden drehe, wird sich das mit der Langeweile schon erledigen.

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