Chalions Fluch by Lois McMaster Bujold

Chalions Fluch by Lois McMaster Bujold

Autor:Lois McMaster Bujold
Die sprache: deu
Format: mobi, epub
Tags: Chalion 1
veröffentlicht: 2013-09-12T00:00:00+00:00


15

S

ie suchten einige Zeit im Zangre. Schließlich fanden sie Orico zu Cazarils Erstaunen in Königin Saras Gemächern, im obersten Stock von Ias’ Turm. Der König und die Königin saßen an einem kleinen Tischchen am Fenster und spielten ›Anhalten und Ausweichen‹. Dieses einfache Spiel, das auf einem geschnitzten Brett mit farbigen Murmeln gespielt wurde, schien eher ein Zeitvertreib für Kinder und Kranke, nicht aber für den mächtigsten Herrn und die höchste Dame im Lande. Doch kein aufmerksamer Beobachter hätte Orico als gesund eingeschätzt. Die unheimlichen Schatten um das müde königliche Paar wirkten wie eine Hervorhebung ihrer Traurigkeit. Die beiden spielten nicht aus Müßiggang, wie Cazaril erkannte, sondern zur Zerstreuung, zur Ablenkung von der Furcht und dem Kummer, die sie von allen Seiten umgaben.

Saras Garderobe überraschte Cazaril: Sie trug nicht wie Orico das Schwarz und Lavendel der Hoftrauer, sondern war ganz in Weiß gekleidet – das Festtagsgewand zum Tag des Bastards, dem zusätzlichen Feiertag, der alle zwei Jahre nach dem Mittsommertag der Mutter eingeschoben wurde, um zu verhindern, dass der Kalender von den Jahreszeiten abwich. Der gebleichte Leinenstoff war viel zu dünn für das derzeitige Wetter, und so kauerte sie zusätzlich unter einem großen, flauschig weißen Schultertuch. In den bleichen Gewändern wirkte sie düster, zart und fahl. Diese Kleidung war eine noch offenkundigere Beleidigung als die farbenfrohen Kleider und Roben, die sie hastig für Dondos Bestattung übergeworfen hatte. Cazaril fragte sich, ob sie das Weiß des Bastards während der gesamten Trauerzeit zu tragen gedachte … und ob dy Jironal es wagen würde, sich zu beklagen.

Iselle machte einen Knicks vor ihrem königlichen Bruder und ihrer Schwägerin, dann stand sie vor Orico, mit glänzenden Augen und verschränkten Händen. Nur ihr kerzengerader Rücken strafte diese Haltung zurückhaltender Weiblichkeit Lügen. Cazaril und Lady Betriz erboten ebenfalls ihren Respekt. Orico wandte sich vom Spielbrett ab und erwiderte den Gruß seiner Schwester. Er schob den Bauch auf seinem Schoß zurecht und beäugte sie mit Unbehagen. Aus der Nähe konnte Cazaril erkennen, wo Oricos Schneider unter den Armen einen passenden Stoffstreifen aus lavendelfarbenem Brokat eingefügt hatte, um den Umfang der Tunika zu erweitern; auch die kleinen Verfärbungen, wo der Saum der Ärmel aufgetrennt und wieder vernäht worden war, waren deutlich zu erkennen. Königin Sara raffte ihr Schultertuch zusammen und zog sich ein wenig tiefer in die Fensternische zurück.

Ohne größere Vorrede brachte Iselle sogleich ihre Bitte an den König vor, die offiziellen Verhandlungen mit Ibra um die Hand des Prinzen Bergon aufzunehmen. Sie wies auf die Gelegenheit hin, auf diese Weise ein Friedensangebot vorzulegen und so den Bruch zu kitten, den Oricos unglückselige Unterstützung für den verstorbenen Thronfolger hervorgerufen hatte – denn gewiss waren weder Chalion noch das erschöpfte Ibra bereit, den Streit derzeit fortzusetzen. Sie stellte heraus, wie sehr Bergon in Alter und Rang ihren eigenen Jahren und ihrem Rang entsprach, und wies außerdem auf den Vorteil für Orico hin: Für den König – und, wie sie diplomatisch verschwieg, später auch für Teidez – konnte es nur gut sein, zukünftig einen Verwandten und Freund am Hofe von Ibra zu haben.



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