Carlotta spielt den Blues by Barnes Linda

Carlotta spielt den Blues by Barnes Linda

Autor:Barnes, Linda [Barnes, Linda]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


20

Das soll das heißen, du weißt nicht, wo die Versandrolle geblieben ist? Ein meterlanges knallrotes Papprohr? Autsch!» Heißes Fett vom Speck in der Pfanne spritzte mir über den Arm, da ich vergessen hatte, die Flamme rechtzeitig klein zu drehen.

«As der moygen is leydik der moyekh oykh leydik.» — «Hohler Magen, hohler Kopf.» Auch dieses Sprichwort hatte meine jüdische Großmutter an meine Mutter weitergegeben. Es mußte wohl wahr sein. Mein Kopf fühlte sich tatsächlich hohl an, als ich Roz zuhörte.

«Beruhige dich», murmelte Roz. Das pflegte meine Mutter auch oft zu sagen, auf jiddisch und auf englisch. Natürlich nicht, wenn ich Speck briet. Meine Mutter, Gott hab sie selig, hätte einen Herzanfall bekommen, wenn jemand in ihrer koscheren Küche Speck gebraten hätte.

Speck gehört zu meinen Lieblingsspeisen. Alles, was nicht koscher ist, gehört zu meinen Lieblingsspeisen. Ich frage mich manchmal, ob das ein Zeichen für eine unbewußte Abneigung gegen meine Mutter ist — oder nur für ein gesundes Geschmacksempfinden.

Lemon, dieser kluge Kampfkunstlehrer, sagte gar nichts.

«Sie verschwand drinnen», berichtete Roz, «825, der Postbote brachte sie.»

«Und?»

«Weg war sie.»

«Was meinst du mit ‹weg›?»

«Ich und Lemon, wir haben beide nach der roten Rolle Ausschau gehalten.»

«Ja, und?»

«Und dann kam irgend so ein Typ heraus mit einem großen Karton, einem riesig großen braunen Karton. Wie von einem Fernsehapparat oder so was.»

«Nein!» sagte ich.

«Nachdem er abgefahren war, sagte Lemon, er fände, der Karton sei aber erstaunlich leicht gewesen für seine Größe.»

«Genau», sagte ich, während ich Speckscheiben aufspießte und wendete.

«Ich bin zu dem Bürodienst hochgegangen, und die Rolle war weg. Ein Typ hatte sie zwanzig Minuten vorher abgeholt.»

«Weiter», sagte ich.

«Hör auf, mir mit der Gabel vor der Nase herumzufuchteln!»

Ich senkte die Gabel. «Nun?»

«Nun, das ist ein privater Postdienst, nicht wahr?» sagte Roz abwehrend. «Zuerst wollten sie mir gar nichts sagen. Dann meinte eins von den Dingern, wahrscheinlich eine Neue, der Typ wäre schon halb mit der Rolle aus der Tür gewesen, hätte sich aber auf einmal herumgedreht und gefragt, ob er einen Karton kaufen könnte, groß genug für die Rolle. Er hat den größten gekauft, den wir haben.»

«Clever», sagte ich. «Verdammt clever.»

«Dann schrie das kraushaarige Weibsstück das Mädchen an: ‹Wir sprechen nie über unsere Kunden!› Ich wurde rausgeschmissen.»

Ich fragte: «Und er fuhr einfach auf und davon?»

«Mit einem Kleinlaster.» Roz starrte auf das schmutzige Linoleum. «Und wir haben nicht einmal die Autonummer aufgeschrieben. Wir waren nicht an einem Typen mit einem Fernsehapparat interessiert.»

«Bist du sicher, daß es ein Kerl war?»

«Tja, nicht hundertprozentig.»

«Wie sah er oder sie denn aus?»

«Trug eine Mütze. Ich habe ihn nur von hinten gesehen. Dünn. Mit Turnschuhen. Ich bin ziemlich sicher, daß es ein Mann war, aber beschwören könnte ich’s nicht.»

«Hinkefuß?»

«Hä?»

«Hat der Kerl, das Mädchen, na wer auch immer, gehinkt? Ist er komisch gelaufen?»

Roz sah Lemon an. Er sah sie an. «Ich — äh — ich glaube nicht», sagte sie dann kleinlaut.

«Verflucht.» Ich drehte die Flamme kleiner, schlug zwei Eier direkt in die Pfanne, fischte mit der Fingerspitze ein Stückchen Schale heraus.

Meine Mutter pflegte zuerst jedes Ei einzeln in eine kleine Glasschüssel zu schlagen, damit, falls etwas Schale hineingeriet



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