Canale Mortale (German Edition) by Schumacher Heidi

Canale Mortale (German Edition) by Schumacher Heidi

Autor:Schumacher, Heidi [Schumacher, Heidi]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783863581480
Herausgeber: Emons Verlag
veröffentlicht: 2012-06-17T22:00:00+00:00


10

Sie erzählte Florian nichts von dem Vorfall am Kanal, aus Sorge, dass er sie dann von ihrem weiteren Vorgehen abhielte, aber auch weil sie sich nicht sicher war, ob sie sich die Verfolgung nur eingebildet hatte. Stattdessen rief sie Jana an.

»Ich würde gerne diese Tizian-Kopie sehen, von der dein Großvater gesprochen hat. Kannst du ihn bitten, sie uns zu zeigen?«

Der Conte war einverstanden und ließ die beiden am Nachmittag nach oben in seine Sammlung kommen. Jana klopfte, wartete, bis er mit »Entrate« antwortete, und öffnete dann vorsichtig die Tür. Ohne sie anzusehen, winkte der Conte sie heran. Er saß in dem Ledersessel mit dem Drehmechanismus, der es ihm möglich machte, sich in alle Richtungen zu bewegen und alle Bilder rundum anzusehen.

»Guardate! An diesem Bild kann man etwas über das Verhältnis von Original und Fälschung lernen. Es ist die Kopie eines Tizian-Gemäldes, die technisch gesehen fast besser ist als das Original.«

Von seinem Sessel aus schaltete er mit einer Fernbedienung mehrere Deckenspots ein, die sich auf das Gemälde vor ihm richteten. Das Licht hob die weichen, runden Konturen einer halbnackten jungen Frau im Pelz hervor.

»Eine Venus. Das Original hängt im Ca’ d’Oro. Die Kopie unterscheidet sich von ihm durch die Kraft der Farben. Dieses Bild ist eine Fälschung. Es hat keine Patina, obwohl es schon fast hundert Jahre alt ist.«

»Dann ist dieses Bild also nicht besonders wertvoll?«

»Nur ein paar tausend Euro. Singer hat mir mehr geboten. Dabei würde er auf jeder Auktion weniger bekommen. Aber er wollte partout dieses Bild, und darüber haben wir uns gestritten. Ich wollte es nicht hergeben. Dazu liebe ich es zu sehr!«

Antonia hörte zu, ohne sich etwas anmerken zu lassen. Wenn Singer die Wahrheit gesagt hatte, dann waren die Behauptungen des Conte gelogen. Singer hatte geschrieben, dass der Conte ihm gerade dieses Venus-Bild geben wollte. Ich brauche unbedingt das Foto, von dem Singer gesprochen hat, ging es ihr durch den Kopf.

Der Conte blickte weiterhin starr auf das Bild der Venus, als sei er durch unsichtbare Fäden mit dem Bild verbunden. Leise sprach er wie zu sich selbst: »Was würde ich dafür geben, das Original zu besitzen …«

Antonia erschrak, als sie die Gier in den Augen des alten Mannes sah. Seine Hände gruben sich tief in die Lehnen seines Drehsessels, sodass die Adern dunkel unter der weißen Haut hervortraten.

»Aber Sie können das Original doch im Ca’ d’Oro besuchen und ansehen«, wandte sie ein.

Der Conte entspannte sich wieder, und das Leuchten kehrte in seine Augen zurück. »Das ist nicht dasselbe, Signorina Babe. All die vielen Augen, die das Bild jeden Tag abtasten und besitzen, die vielen Besucher, die vor ihm stehen, sie nehmen ihm seine Aura. Ich will es nur für mich allein. Aber so ist das Leben. Wir begehren das, was wir nicht haben können.«

»Buddha lehrt uns«, dozierte Jana, »dass wir uns vom Begehren befreien müssen. Ich meditiere täglich und versuche, alle meine Wünsche zu überwinden.«

Der Conte sah Jana zärtlich an. »Auch das ist ein Begehren, Principessa.«

Von unten hörte man den Gong, den Giovanna schlug, bevor sie das Essen auftrug.



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