Canal Grande by Raittila Hannu

Canal Grande by Raittila Hannu

Autor:Raittila, Hannu [Raittila, Hannu]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2015-04-25T16:00:00+00:00


XVII

Das Boot wackelte nur leicht, der Kiel steckte im Schlamm. Kleine Wellen plätscherten. Ich döste und hörte den Dozenten und den Amerikaner reden. Heikkilä beschrieb zuerst das Funktionsprinzip eines Baggers, den ein Erfinder namens Leonardo entwickelt habe. Das Gerät schien an den «Hauer von Könni» zu erinnern, den Apparat zum Ziehen von Gräben, den ein Uhrmacher aus Ostbottnien im 18. Jahrhundert erfunden hatte. Ich erinnerte mich, Zeichnungen davon während des Studiums gesehen zu haben, im Kurs über Geschichte der Mechanik. Der Amerikaner wollte wissen, ob Arbeiten von Leonardo in den Kunstmuseen Venedigs zu sehen seien. Warum sollten die Arbeiten eines Erfinders im Kunstmuseum stehen? Als ich wieder aufschreckte, war der Dozent bereits dazu übergegangen, die Ähnlichkeit der Militärstrategien von Venedig und den Vereinigten Staaten zu vergleichen. Die Venezianer hatten auch so etwas wie den Schiffskonvoi erfunden, den in gleichem Umfang erst die Alliierten im Zweiten Weltkrieg einsetzten, als sie Kriegsgerät von Amerika nach England und Russland transportierten.

George fing an, einen Film über Venedig zu planen. Er klang nicht sehr realistisch. Ihn fasziniere die Isolation Venedigs. In deren Schutz habe sich die Stadt in eine andere Richtung entwickelt als die anderen Hochkulturen. Für den Dozenten war Venedig eine ans Wasser angepasste Kultur, vergleichbar mit der der Eskimos, die sich an das Leben auf dem Eis angepasst hätten. Der Amerikaner widersprach. Für ihn war Venedig ein Planet für sich oder eine Weltraumstation.

Der Film löste sich jetzt völlig vom Boden der Tatsachen. George fing an, von seinem Namensvetter, dem Kollegen George Lucas zu reden. Offenbar sollte sein Venedig-Film etwas Ähnliches wie «Krieg der Sterne» werden. Jedenfalls war der Ami von dem furchtlosen und forschen Handelsgeist der Venezianer fasziniert, von dem Risiko, das damit verbunden war, von den in der Hoffnung auf Schwindel erregende Gewinne unternommenen gewagten Reisen in unbekannte Länder hinter den Meeren und von der Rückkehr in die an eine Weltraumbasis erinnernde Heimatstadt, die von der Fläche her zwar klein, jedoch uneinnehmbar und überaus luxuriös war. Der Held des Films sollte ein Schmugglerkapitän im Stil von Han Solo sein, in die eigene Tasche wirtschaftend, aber anständig, der mit seinem Schiff über unkartierte Meere segelte.

Ich kannte Han Solo, Luke Skywalker und die anderen Helden aus «Krieg der Sterne» gut, denn ich hatte alle Teile der Trilogie mehrmals mit meinen Söhnen anschauen müssen. Außerdem hatte ich mir einen mit Ferrex bemalten Helm im deutschen Stil aufsetzen und eine halbe Autoabdeckung umhängen und als Darth Vader, der Weltraumritter, der auf die finstere Seite gewechselt war, auftreten müssen. In der Hand hielt ich ein Lichtschwert, gefertigt aus einer Taschenlampe und einem Elektroinstallationsrohr.

Das Boot wackelte, und der Dozent fragte etwas, das ich nicht verstand. Ich brummte zustimmend, das schien ihn zufrieden zu stellen. Dann hörte ich es plätschern. Als ich die Augen aufmachte, sah ich den Dozenten ins Wasser pinkeln und dem Amerikaner dabei über die Schulter etwas über antike Dramen und die Poetik des Aristoteles erzählen, nach der sich die Hollywoodfilme richteten. Ich erinnerte ihn daran, dass laut Statistik die Mehrzahl aller Ertrunkenen den Hosenstall offen hatte.



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