Buch der Katastrophen by Hermann Harry Schmitz
Autor:Hermann Harry Schmitz [Schmitz, Hermann Harry]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: andersseitig.de
veröffentlicht: 2015-03-09T16:00:00+00:00
Und der Zentaur war der Herr der Welt. Eine alte Sage ging in Erfüllung.
Die feine Gesellschaft – die feine Gesellschaft
Das war also die ergötzliche Provinzstadt Stumpfsinnshausen, in der Eusebius Nöll seine juristische Laufbahn als Referendar am Amtsgericht begann. Nach dem bestimmten Entschluss seiner Familie sollte er eigentlich Theologie studieren. Der Urgroßvater, der Großvater und zwei Onkel waren Pastoren. Natürlich lag es nahe und im Sinn der Tradition, dass nun Eusebius ebenfalls Theologe werden sollte. Aber als seine Schwester Dora einen Bankier mit Namen Maurus Isidor Baldower ehelichte, ließ man den Plan fallen, und Eusebius Nöll studierte Jura.
Er bemühte sich nun acht Jahre lang, in die Geheimnisse der Jurisprudenz einzudringen, und nach wiederholten Versuchen ließ ihn ein gütiges Geschick, ein gerissener Nachhilfeassessor und ein wohlwollendes Prüfungskollegium das Referendarexamen bestehen.
Eusebius Nöll hatte sich während seiner Berliner und Münchener Studienepoche im Verkehr mit lockerem Künstlergesindel und Bohemiens mit ausgefransten Hosen und Maximen, die für einen Absinth feil waren, eine gewisse Respektlosigkeit vor der gesetzten Bürgerlichkeit und der weisen Gesetzmäßigkeit und Ordnung aller Dinge angewöhnt. Er konnte es nicht unterlassen, bei jeder kommenden Gelegenheit Menschen, denen die gesellschaftlichen Bräuche und die bestehende Konvention eine wichtige Sache dünkte, zu verhohnepiepelen und die auf eine unfreie Norm gezwungene Feierlichkeit mit vorgeschriebenen Gesten als läppisches Marionettenspiel zu veralbern. Sagte man von jemand: »Er verkehrt« oder: »Er macht Besuche«, so nannte er ihn einen dressierten Papagei oder einen Fatzke.
Mit dem Tag aber, an welchem er Referendar wurde, änderte er entschieden sofort seine bisherigen destruktiven Anschauungen. Die geschmähte und bisher verachtete gesetzte Bürgerlichkeit, die gesellschaftliche Konvention, die geachtete anerkannte Stellung in der Gesellschaft wurde ihm zum heiligen Gesetz. Er war geschwollen im Gefühl der großen Wichtigkeit und der großen Verantwortung, die auf ihm lag nach seiner Berufung zum Referendar.
Seine Münchener und Berliner Sauffreunde schickten ihm Bierkarten mit Schmähungen und Spott und stießen ihn als größte Schmach aus ihrer Runde aus, als sie von seiner Läuterung und Rückkehr in die gesetzte Bürgerlichkeit erfuhren.
Wie die Wassertropfen an den Federn der Ente abprallen, so prallten die Schmähungen dieser nichtswürdigen Gesellen an Eusebius Nöll ab. Auch wiederholte Briefe eines Wassermädels Zenzi in München und einer Telefonistin Dorchen in Berlin waren ohne Eindruck auf Eusebius. Das waren tempi passati für ihn. Gott sei Dank! Sein Ziel war jetzt die gute Partie und die gesellschaftliche Position.
So kam er eines Tages als wohlbestallter Referendar an das Amtsgericht der Provinzstadt Stumpfsinnshausen, wohlversehen mit Empfehlungen seiner theologischen Verwandtschaft an einige wichtige Honoratioren von Stumpfsinnshausen.
Er wusste genau, was er zu tun hatte. Vor allen Dingen durfte er nicht säumen, sofort bei den Spitzen der Stadt seine Antrittsvisiten zu machen. Die wichtigste Spitze war natürlich der Bürgermeister Emanuel Lebertran. Dann waren da noch andere Spitzen, die auch für Eusebius sehr zu beachten waren, wie der Amtsgerichtsrat Möbus Flöte, der Amtsrichter Streng, der Platzmajor von Schnitzel, der Sanitätsrat Bullemann, der Direktor Schienenstrang von der Lokalbahn, der Notar Finnig, der Rechtsanwalt August Korrupt, der Bankier Moritz Kientopp und noch andere Männer in öffentlichen Ämtern, die als Konnexionen für ihn in Frage kamen.
Eusebius Nöll machte ordnungsgemäß seine Besuche.
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