Briefe aus Paris (German Edition) by Ludwig Börne
Autor:Ludwig Börne [Börne, Ludwig]
Die sprache: de
Format: azw
veröffentlicht: 2011-06-20T16:00:00+00:00
Sechsundsechzigster Brief
Paris, Mittwoch, den 4. Januar 1832
Wie können Sie nur glauben, ich wünschte darum nicht, daß meine Briefe in das Französische übersetzt würden, weil ich fürchte, der Regierung zu mißfallen? Wie sollte ich simpler Bürgersmann die Anmaßung haben, mich zu fürchten? Das ist jetzt ein Prärogativ der Krone, ein Regal der Fürsten. Ich wäre eine Art Falschmünzer, wenn ich mich mit Fürchten beschäftige: das könnte mich den Kopf kosten. Es wäre mir darum unlieb, hier übersetzt zu werden, weil mir Angst ist, die Arbeit, von irgendeinem ökonomischen Buchhändler aus Gewinnsucht veranstaltet, möchte in die wohlfeilen Hände eines Taglöhners fallen und ich verunstaltet werden. Mein kleiner weicher Geist ist leicht außer Form gebracht. Wenn aber ein Mann, wie der Professor Willm in Straßburg, der Bruchstücke aus meinen altern Schriften in der Revue Germanique so vortrefflich übersetzt hat, auch die Briefe Französisch herausgeben wollte, würde ich mich sehr darüber freuen.
– Wäre Herr von Raumer darum aus der preußischen Zensurbande getreten, um die Schande, Mitglied derselben gewesen zu sein, abzuwaschen – auch dann würde ihm das nicht zur Ehre gereichen; denn sein Ruf stünde immer nur erst auf dem Gefrierpunkte der Tadellosigkeit. Aber nein, nicht aus Buße, nicht um der beleidigten Menschheit Abbitte zu tun, hat er aufgehört, Zensor zu sein; sondern aus gereizter Eitelkeit, weil er sich persönlich, gekrankt fühlte, daß die Zensur sein Werk über Polen anzuzeigen verboten, tat er den angstzitternden Schritt. Ich begreife es nicht, ich werde es niemals fassen, wie ein Mann, der sich nur ein wenig selbst achtet, der nicht schamlos seine ganze Menschenwürde von sich geworfen, um nackt wie ein Tier im warmen Stalle zu lagern, dort seinen Bauch zu füttern oder bei gutem Wetter auf der Gunst der großen Glückspachter herumzugrasen – wie ein solcher Mann sich dazu verstehen kann, ein Zensor, ein Henker zu werden – nein, schlimmer als ein Henker; denn dieser tötet nur die schuldig Gerichteten – ein Meuchelmörder der Gedanken, der im dunkeln lauert und trifft, der das einzige, was göttlich ist am Menschen: die Freiheit des Geistes, zerstört, daß nichts an ihm übrigbleibe als das blöde Vieh, das vor der Peitsche seiner Treiber hergeht und kaut und wiederkaut, was ihm seine Herren in die Krippe geworfen! Und auch hier wieder, wie immer, empört sich mein Herz gegen die Dummheit des Volks überall, das gar seine Macht und Übermacht nicht kennt; das gar nicht ahnt, daß es nur zu wollen braucht, um jede verhaßte Tyrannei umzustoßen. Wenn unter den Tausenden in jeder Stadt, welche die Zensur als einen schändlichen Übermut verabscheuen, als eine erbärmliche Feigheit verachten, sich nur zwanzig angesehene Familienhäupter zu dem Bunde vereinigten, jeden Zensor als einen ehrlosen Menschen zu betrachten und zu behandeln, unter keinem Dache mit ihm zu wohnen, an keinem Tische mit ihm zu essen, seine Umgebungen nicht zu berühren, ihn zu fliehen wie einen Verpesteten, ihn immerfort mit Verachtung zu bestrafen, mit Spott zu necken – dann würde sich bald kein Mann von Ehre mehr finden, der Zensor würde sein wollen; ja selbst der Gefühllose,
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