Brief an meine Söhne by Weber Mark
Autor:Weber, Mark [Weber, Mark]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Sachbuch
ISBN: 9783868833829
Herausgeber: Riva Verlag
veröffentlicht: 2014-08-14T22:00:00+00:00
Kapitel 5
… einen starken Willen entwickeln, der Fantasie freien Lauf lassen und dem Mut den Vorzug vor der Angst geben …
Dezember 2003
März bis September 2011
Nachdem ich mich von meiner Operation erholt hatte, trat ich wieder meinen Dienst an. Das war super für mich, für die Armee stellte es eher ein Problem dar. Soldaten mit einer lebensbedrohlichen Tumorerkrankung gehen gewöhnlich nicht zur Arbeit. Man dankt ihnen für ihre Dienste und schickt sie in Frühpension. Als Oberstleutnant konnte ich auch mit einer großzügigen Pension rechnen, das Ganze wäre also durchaus machbar gewesen. Nur nicht für mich.
Obwohl die Befehlshaber der Minnesota National Guard meinen Wunsch, wieder Dienst zu leisten, ebenso unverständlich wie vorbildlich fanden, kamen sie mir entgegen und fanden für mich eine befristete Vollzeit-Dienststelle. So konnte ich meine Energie sinnvoll einsetzen, während gleichzeitig mit wenig Durcheinander zu rechnen war, falls meine Gesundheit mit meinem Optimismus doch nicht ganz Schritt halten sollte.
Dem Willen wie der Fantasie Zügel anzulegen – diese beiden Qualitäten waren nun sowohl von mir als auch von der Armee gefordert, denn was ich wollte, war bislang noch nie da gewesen.
Meine Aufgaben waren keine Alibibeschäftigung. So musste ich beispielsweise die strategischen Planungsprozesse und die Maßnahmen zur Effizienzsteigerung überprüfen. Außerdem kam mir eine leitende Rolle bei den Bemühungen der Armee zu, die Anzahl der Selbstmorde unter den Soldaten zu verringern. Denn in dieser Hinsicht stand Minnesota leider im Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit, wies es doch landesweit mit die höchsten Selbstmordraten auf.
Rauf.
Ebendiese Art von Aufgaben hatte ich mir gewünscht, als ich zur Nationalgarde kam. Ich ließ in meinen neuen Job all meine Energie einfließen. Am Ende wurde sogar eine eigene Stelle geschaffen. Man ernannte mich zum Leiter der Abteilung strategische Kommunikation.
Runter.
Meine gesundheitliche Verfassung war bis in den März hinein recht wechselhaft gewesen. Normalerweise fühlte ich mich zwei bis drei Wochen lang fit, dann war ich drei Tage krank und hatte die schlimmste Erkältung, die ich je gehabt hatte.
Entweder die Operation oder das Tumorwachstum hatten dazu geführt, dass sich Gallenflüssigkeit in meiner Leber staute und schließlich in den Körper austrat, was zu einer Sepsis führte. Die Symptome dieser gefährlichen Infektion lernte ich extrem gut kennen: dreißig bis sechzig Minuten heftiger Schüttelfrost, Erbrechen, weißer Stuhlgang, orangefarbener Urin, Schmerzen und Juckreiz im ganzen Körper, brennende, gelbe Augen und Haut, außerdem migräneartige Kopfschmerzen.
Diese Art der Sepsis bringt ein Sterblichkeitsrisiko von 60 Prozent mit sich. So empfand ich das auch, wenn ich sie hatte, und ich bekam sie innerhalb von zwei Jahren mindestens dreißig Mal.
Rauf.
Um der Sepsis zu Leibe zu rücken, führten die Radiologen einen strohhalmdünnen Katheter durch meine Rippen und meine Leber direkt in den Gallengang ein (ein dünner Kanal, der von der Leber ausgeht). Ein Ende des Katheters steckt in meinen Eingeweiden, das andere Ende in einem Katheterbeutel, den ich auf Höhe der Rippen trage. Im Grunde hat man einen neuen Abfluss gebaut, damit meine Leber nicht wieder verstopft wie ein nicht gereinigtes Abflussrohr.
Runter.
Von März an zeigte jede Computertomografie, dass der Krebs weiter wuchs, was bedeutete, dass mein Körper nicht auf Glivec reagierte. Aber Glivec ist für GIST-Patienten das Medikament, das am meisten Hoffnung verspricht.
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