Brüder unterm Sternenzelt – Friedrich Georg und Ernst Jünger by Magenau Jörg

Brüder unterm Sternenzelt – Friedrich Georg und Ernst Jünger by Magenau Jörg

Autor:Magenau, Jörg [Magenau, Jörg]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Klett-Cotta
veröffentlicht: 2015-11-10T16:00:00+00:00


Wenn Gedanken zu klingen beginnen, verlassen die Worte die Sphäre konkreter Bedeutung. Die Verse waren weniger zu sprechen, als zu summen oder zu erlauschen. Sie gehörten nicht der Sprache an, sondern der Musik. Sie trugen das Christentum und das mosaische Gesetz des Alten Testaments in sich, wie sie auch namenlose Naturgeister und die Elemente selbst aufnahmen. In ihnen wirkte Franz von Assisis die Elemente aufrufender »Sonnengang« ebenso nach wie Herders »Abschied des Einsiedlers«, ein Gedicht, das er ganz besonders schätzte, weil es für sein Empfinden über die Religionen hinausführte: »Erde, du meine Mutter, und du mein Vater, der Lufthauch / Und du, Feuer, mein Freund, du mein Verwandter, der Strom, / Und mein Bruder, der Himmel, ich sag euch allen mit Ehrfurcht / Freundlichen Dank. Mit euch hab’ ich hienieden gelebt, / Und geh jetzt zur anderen Welt, euch gerne verlassend; / Lebt wohl, Bruder und Freund, Vater und Mutter, lebt wohl.« Er übernahm Herders Beschwörung der Elemente der natur und erhöhte sie noch in seinem Gebet. Die Wortreihen stellten eine kosmische Ordnung dar, so wie auch die in Reih und Glied geordneten Käfer seiner Sammlung Cluster bildeten. Die einzelnen Elemente befanden sich in einem Gleichgewicht. In den Religionen manifestierte sich ebenso wie in der Physik und in allen Naturwissenschaften der Glaube, dass alles miteinander zusammenhängt. Religionen sind Kunstwerke, mehr oder weniger gelungen. Auf einer alten Karteikarte, die auf den 21. November 1934 datiert war, hatte er eine erste, schematische Ordnung skizziert. »Wasser«, »Luft«, »Feuer« und »Erde« hatte er auf die vier Ecken der Karte verteilt. Zwischen Wasser und Luft schrieb er »Schaum« und verband die Worte mit Strichen. Zwischen Luft und Feuer schrieb er »Glast«, zwischen Feuer und Erde »Magma«, zwischen Erde und Wasser »Sumpf«. Er hätte auch die Diagonalen ziehen können, um zwischen Erde und Luft den Staub, zwischen Feuer und Wasser den Dampf zu setzen.

Die Karte markierte einen Übergang, den vom »Elementaren« zu den Elementen und damit den Weg aus der Geschichte und der Politik heraus und zurück in die Natur. Das Elementare war ein diffuser Feuersturm, sublimiertes Kriegserlebnis, ein Flammenwerfer, den er auf die Welt der Bürger und ihrer Institutionen richten wollte. Dann erst, so hatte er sich 1929 in einen Rausch hineingeschrieben, »wenn dies alles, dieses Schauspiel der im Leeren kreisenden Kreise, hinweggefegt ist, wird sichdasentfalten können, was noch an Natur, an Elementarem, an echter Wildheit, an Ursprache, an Fähigkeit zu wirklicher Zeugung mit Blut und Samen in uns steckt«. Im Arbeiter ist der Zerstörung als »Einbruch elementarer Mächte in den bürgerlichen Raum« ein eigenes Kapitel gewidmet. Mit Carl Schmitt hatte er dann immer wieder über die Bedeutung der Elemente gesprochen; Feuer, hatte Schmitt behauptet, sei dem Nihilismus zuzuordnen. Nihilistisch sei auch der Drang, die Toten in Krematorien zu verbrennen. Doch aus der Asche entstehe der Vogel Phönix, also das Element der Luft. Seltsam, hatte Schmitt hinzugefügt, dass es Land-, Luft- und Wasserheere gibt, aber kein Feuerheer. Was könnte das sein neben Wehrmacht, Luftwaffe und Marine? »Luft ist, homöopathisch gesprochen, Meer in höherer Potenz«, hatte Ernst erwidert und damit die Verwandtschaft von Luftwaffe und Marine begründen wollen.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.