Boscher, Ralf by Abschied ist ein scharfes Schwert

Boscher, Ralf by Abschied ist ein scharfes Schwert

Autor:Abschied ist ein scharfes Schwert
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


4.

Kaum dass wir auf der Straße waren, fasste ich sie sanft um die Taille, was wahrlich nicht schwer war, und halb zog ich sie, halb sank sie dahin. Mein Kuss öffnete zart ihr die Lippen, und den festen Geschmack des Lippenstiftes hinter mir lassend, tauchte ich hinein in die fließende Wärme ihres Mundes. Sie war Wachs in meinen behutsamen Händen, unbeschwert lachende Hingabe. Aber merkwürdig, zwar drängte sie sich meinen Wünschen entgegen, ihre Zunge folgte der meinen auf dem Fuße, ihr Körper blühte – wie ich es selbst durch das Leder spürte – meinen Fingern entgegen, und doch ging von ihr eine Unbeteiligtheit aus, die mich irritierte.

Während ich sie umarmte, und mir für meinen Geschmack einfach nicht genügend Hände und Münder zu Gebote standen, um diesen Augenblick ganz auszukosten, ließ Lilith ihre Arme baumeln. Ihre Hände suchten mich auch dann nicht, als ich mich von ihr löste, um mir eine Zigarette anzuzünden. Hatte ich mich in meiner Wirkung auf sie getäuscht? Hatte ich die Zeichen falsch interpretiert? Nicht erst Heidegger hat auf die Schwierigkeiten einer Hermeneutik des Daseins hingewiesen. War ich in den Zirkel nur mit halbem Herzen hineingesprungen und hatte die Uneigentlichkeit des Blicks nicht überwunden? War ich mehr Man als Mann?

Weil es aufgehört hatte zu regnen, nahmen wir kein Taxi, sondern liefen. Und der Satyr in mir hatte bei seinem Tanz durch die Sommernacht rechte Probleme, nicht über seine eigenen Beine zu stolpern. Aber mochte er auch taumeln, er fiel nicht. Denn bei aller mir nun angemessen erscheinenden Vorsicht drängte ich Lilith dennoch unerschrocken auf unserem Weg durch die menschenverlassene Elberfelder Innenstadt in so manchen Hauseingang, ihre Küsse mit meinen Lippen ungeduldig-abwartend fordernd und ihre zerbrechlich wirkende Taille mit den Händen in einer gewissen scheuen Zielstrebigkeit so umfassend, dass ich zweierlei durchscheinen ließ: Zum einen – da ich das verschlankte Rund ihres Leibes mit sanfter Gewalt noch enger spannte – wie gerne ich sie in meiner Hand hätte, zum anderen aber zeigte die unmissverständliche Weichheit meines Griffs, dass nur ein Zeichen ihrerseits genügte, um mich dazu zubringen, ihr Luft und Raum zu lassen und mich in aller höflichen Freundschaft auf den ihr gebührend erscheinenden Abstand zurückzuziehen. Mit anderen Worten, Lilith schien zwar eine Vorliebe dafür zu haben, sich mit ihrem Rücken an Häuserwände zu lehnen, aber gleichwohl stand sie bei mir nicht mit dem Rücken an der Wand.

Und doch hatte es für mein Empfinden einen ganz eigenen Effekt, sie so zu umarmen, dass sich meine Fingerspitzen hinter ihrem Rücken beinahe berührten, vor allem da ich spürte, wie sich Liliths Atmung in diesen Momenten beschleunigte und wie biegsam ihr Körper und ihre Lippen jeder meiner Bewegungen folgten.

Jedes Mal aufs Neue spürte ich ihr Entgegenkommen, jedes Mal dachte ich, gleich kann sie nicht mehr an sich halten und ihre Hände packen meinen Hintern, um mich in eine tiefere Berührung zu ziehen. Ich konnte ihre Anspannung spüren, wenn sie merkte, dass ich mich wieder einem dieser schmutzigen Hauseingänge näherte, und ich war mir sicher, dass sie mein Drängen gerade an solchen Orten noch gieriger aufnahm.



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