Blutfrost by Susanne Staun

Blutfrost by Susanne Staun

Autor:Susanne Staun [Staun, Susanne]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-01-23T23:00:00+00:00


17

Die Sekretärinnen waren wieder einmal kollektiv auf einer Diätkur, sodass ihr ohnehin schon enges Büro auch noch vollgestellt war mit Mineralwasserflaschen und Obstschalen. »Mal ganz ehrlich«, platzte ich hervor, »warum könnt ihr denn nicht einfach akzeptieren, dass die etwas ausufernde Mittelpartie ein ganz natürliches Vorstadium des körperlichen Verfalls ist?« Wieder ein Morgen, an dem mir die Fantasie fehlte, um mich ein bisschen beliebter zu machen. Alle hoben ihre Blicke und sahen mich ohne zu lächeln an, alle schwiegen, bis Marianne fragte: »Was sind denn ausufernde Mittelpartien?«

»Bauchfett«, sagte ich, ausgerechnet ich, die ich aus unerklärlichen Gründen von diesem Leiden alternder Frauen verschont geblieben war, und das, obwohl ich regelmäßig zu viel Wein trank. Es konnte natürlich sein, dass ich meine Figur dem fantasielosen Müsli zu verdanken hatte, das ich jeden Morgen in einem bleichen See aus fettarmer Milch ertränkt zu mir nahm. Und natürlich meiner generell fehlenden Lust, etwas zu essen, wenn ich allein mit mir selbst war. »Mit Vitamin D kann man Bauchfett besser bekämpfen.« Ich stellte meinen iPod ein und wollte mir gerade die Kopfhörer in die Ohren stecken, als Ruth fragte: »Wirklich?«

»Ja, ja, das ist so. Vitamin D regt die Fettverbrennung an. Und Mandeln. Mit diesen Früchten«, ich zeigte mit der Hand auf die übervollen Schalen, »sollte man auch vorsichtig sein. Die stecken ja voller Fruchtzucker.« Ich hatte keine Ahnung, weder von Vitamin D noch von Mandeln oder Früchten, hatte das bloß irgendwann einmal mit einem halben Ohr aufgeschnappt.

Als das Telefon klingelte, sagte Ruth trocken: »Anruf für Sie.« Bestimmt hätte sie lieber gesagt: Verpiss dich! Dann nahm sie lächelnd den Hörer ab und sagte: »Einen Augenblick, bitte!«, und reichte mir das Telefon: »Kenny Fyn Nielsen.« Ich sah zu, dass ich nach draußen kam, und hastete über den Flur zu meinem Büro.

»Hier ist Fyn«, sagte die melodische Stimme, und auch wenn ich ihn gerne mit einem flotten Spruch begrüßt hätte, um die peinliche Erinnerung an unser nächtliches Telefonat zu überspielen, beschränkte ich mich auf ein einfaches »Guten Morgen«.

»Sind Sie wieder nüchtern?«

»Ich bin immer nüchtern«, beeilte ich mich zu sagen. In Wahrheit schämte ich mich aber. »Was haben Sie für mich?«

»Nicht wirklich viel, fürchte ich. Ich habe in die Krankenakte des Kindes geschaut und mit dem Hausarzt geredet. Sie hatte die üblichen Krankheiten, Sie wissen schon, Mittelohrentzündung, Fieber, Lungenentzündung, nichts Besonderes für Kinder in diesem Alter. Eine Sache ist aber merkwürdig: Das Mädchen war ganze fünf Mal in der Notaufnahme, weil sie vom Wickeltisch gefallen ist und sich dabei ein paar Schrammen geholt hat. Nichts Schlimmes, eine paar Beulen und ein paar blaue Flecken, und einmal hat sie sich das Handgelenk gebrochen. Fünf Mal, das ist ziemlich oft. Es wird natürlich schwer zu beweisen sein, dass das keine Unfälle waren. Jedenfalls reicht es nicht aus, um in Richtung Münchhausen zu ermitteln.«

Gottseidank, dachte ich. Jetzt musste ich gut nachdenken, mir Zeit nehmen und die neuen Erkenntnisse richtig verdauen, bevor ich etwas sagte.

Fyn fuhr fort: »Außerdem sind diese locked room-Fälle ja immer etwas verzwickt. Unter Umständen müssen wir zum Schluss beide freisprechen, weil wir nicht beweisen können, wer für die Tat wirklich verantwortlich ist.



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