Blutacker by Harding Paul

Blutacker by Harding Paul

Autor:Harding, Paul
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Krimi-Thriller, England, Historisch
ISBN: 3-426-61895-8
Herausgeber: LBOOK
veröffentlicht: 2014-05-09T04:00:00+00:00


9

Sir John wollte sich nicht anhören, was Flaxwith ihm zu sagen hatte, und marschierte wie der Anführer eines Triumphzuges vom Tower die Eastchepe hinauf, durch die Gracechurch Street, Lombard Street und in die Poultry. Als sie die Cheapside erreichten, drängten sich die Mengen um die Stände und Buden. Die Pranger waren voll von Missetätern, die mit Hals, Hand, Arm oder Bein dort festsaßen. Andere steckten in dem großen Käfig, der hoch oben auf der Wasserleitung stand, welche die Stadt mit frischem Wasser versorgte. Sir John winkte im Vorbeigehen all seinen »Hübschen« zu: den nächtlichen Streunern, Einbrechern, dem Straßenpöbel, Taschendieben und Betrunkenen. Die Antwort waren düstere Blicke oder zotige Schmähungen.

Der Coroner war in dieser Gegend wohlbekannt, und seine mächtige Gestalt, sein buschiger Schnurrbart und üppiger Vollbart machten sein rotes Gesicht nur noch auffälliger. Die Damen der Nacht - »meine kleinen Magdalenas«, wie Sir John sie nannte - verschwanden in dunklen Gassen und Gängen, sobald er auftauchte. Er blieb stehen, um einem Pfeifer, der Vogelstimmen nachahmte, einen Penny zuzuwerfen, und herrschte die Höker mit ihren Bauchläden an, sie sollten Abstand halten. Flaxwith und zwei andere Büttel, die hinter Athelstan trotteten, lachten heimlich über manche Spottnamen, die man Sir John nachrief. Plötzlich blieb der Coroner wie angewurzelt stehen, die blauen vorstehenden Augen und den Mund weit aufgesperrt.

»Bei den Titten des Satans«, stöhnte er.

Athelstan stellte sich auf die Zehenspitzen und erkannte Leif, den einbeinigen Bettler, der auf Sir John zukam.

»Der Schurke läuft schneller als ein Grashüpfer!«

Leif, der immer in Begleitung seines Freundes und treuen Gefährten Rawburn war, machte Sir John in jeder Menge ausfindig. Aus unerfindlichen Gründen hatte Lady Maude eine Schwäche für diesen Bettler, der an Küchentüren um Almosen und Nahrung bettelte und die ganze Cheapside mit seiner neuen Rolle als chanteur oder Liedersänger unterhielt. Athelstan hatte den Verdacht, daß Leif von Lady Maude beauftragt war, hinter Sir John herzuspionieren, insbesondere, was dessen ziemlich regelmäßige Besuche im »Lamm Gottes« anging.

»Ach, Sir John!«

Leif stützte sich auf die Schulter von Rawburn, einem Tunichtgut, dem das Mißgeschick widerfahren war, sich in eine Pfanne mit siedendem Öl zu setzen.

»Guten Morgen, Leifl« Sir John angelte schon nach zwei Pennies in seiner Börse.

»Lady Maude geht es gut. Mein neues Lied hat ihr sehr gut gefallen: ›Ich bin ein kleines Rotkehlchen …‹!«

»Wenn du mir nicht aus dem Weg gehst, bist du gleich ein totes Rotkehlchen!« knurrte Sir John.

»Lady Maude erfreut sich bester Gesundheit«‚ schwatzte Leif weiter. »Aber Gog und Magog, Eure beiden Hunde, waren im Karpfenteich, und die beiden Kerlchen …«

»Was ist los mit den Kerlchen?«

»Nichts, Sir John, sie sind nur triefnaß.«

»Und?«

»Und Lady Maude hat mich gebeten, die Augen offenzuhalten, ob Ihr nach Cheapside zurückkommt …« Er nahm die angebotenen Pennies. »Aber natürlich habe ich Euch nicht gesehen, Sir John.«

Damit humpelte Leif, gestützt von Rawburn, davon.

Leise fluchend stürmte Sir John in den Schankraum des »Lamm Gottes«. Die Frau des Schankwirts eilte herbei. Sir John wurde zu seinem Lieblingsplatz am Fenster geführt und bestellte Ale für Athelstan, Hengan, Flaxwith und dessen beide Büttel. Als das Ale auf dem Tisch stand, lehnte sich der Coroner zurück.



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