Blomkvist, Stella by Mord in Thingvellir

Blomkvist, Stella by Mord in Thingvellir

Autor:Mord in Thingvellir
Die sprache: de
Format: mobi
veröffentlicht: 2012-04-25T14:14:48+00:00


»Ja, ich habe heute Abendschicht.«

Ich begleite Thórdís die Treppe hinunter zur Haustür.

Sie achtet sorgfältig darauf, immer zwei oder drei Schritte vor mir zu sein. Als ob sie vermeiden wolle, das ich ihr zu nahe komme.

Als sie gegangen ist, setze ich mich wieder an den Schreibtisch. Blättere erneut durch die Akten des Sommerhotels Klettur aus dem Jahr 1995.

Dieses Mal ist die Suche leicht. Obwohl ich nur den Vornamen habe. Außerdem ist nur eine Marie in der Buchhaltung dieses Jahres vermerkt.

Sie heißt mit vollem Namen Marie Fauré. Und hat in diesem Sommer den Lohn für zwei Monate ausgezahlt bekommen. Vom 15. Juni bis zum 15. August.

Hinten in der Akte finde ich einen handgeschriebenen Brief auf bläulichem Papier.

Er ist auf Französisch. Datiert auf den 12. Oktober 1995 in Dijon. Unterschrieben von Nicole Fauré.

Aus dem Brief kann man schließen, dass Nicole Maries Mutter ist.

Sie sucht nach Informationen über die Reisen ihrer Tochter.

Sagt, dass der letzte Brief, den sie von Marie bekommen hat, Anfang August in Island aufgegeben worden ist. Seitdem habe sie nichts mehr von ihrer Tochter gehört. Was sehr ungewöhnlich sei, denn Marie habe ihr normalerweise jede Woche geschrieben.

Im Brief erkundigt Nicole sich, wann Marie aufgehört habe, im Hotel zu arbeiten und wohin sie gereist sei. Auch, ob jemand im Hotel seitdem etwas von ihr gehört, eine Karte, einen Brief oder ein Telegramm erhalten habe.

An diesem blauen Brief ist der Entwurf einer Antwort festgetackert, die Karl Blómkvist ein paar Tage später an Nicole Fauré geschrieben hat. Darin steht, dass Marie am 15. August aufgehört habe, in Klettur zu arbeiten, wie es am Anfang des Sommers vereinbart worden war. Auch, dass ihm bestätigt wurde, Marie sei mit der Personenfähre Norröna am 17. August von Seydisfjördur nach Dänemark gefahren.

Aha!

Das Mädchen aus Elín Eddas Gespensterträumen hat also im August 1995 das Land verlassen. Und ist sicher schon längst zu Hause angekommen.

Ich schließe die Akten. Schiebe sie energisch ins Regal.

Zufrieden, diesen übersinnlichen Blödsinn ein für alle Mal erledigt zu haben.

Ich habe noch nie dieses primitive Bedürfnis verstanden, übernatürliche Erklärungen für ein Ereignis zu suchen, das eine ganz realistische Vorgeschichte hat.

»Aberglaube ist Alzheimer des Verstandes.«

Sagt Mama.

31

Donnerstag, 9. September

Welche Fotos?

Diese Frage verschafft sich während meiner Leichtschlafphase mit Getöse in meinem Bewusstsein Gehör. Bevor ich richtig wach werde. Als ob sie sich in verborgenen Gemächern des Gehirns die ganze Nacht herumgewälzt hätte.

An welche Fotos hat Thórdís gedacht, die ich ihr hätte zeigen sollen?

Sie schien regelrecht Angst davor zu haben, dass sich ganz bestimmte Fotos in meinem Besitz befänden. Sonst wäre sie nicht so schnell zu mir nach Hause gelaufen. Nachdem sie es mehrmals abgelehnt hatte, mich zu besuchen.

Ob sie wohl immer noch in Klettur sind? Die Fotos, die Thórdís aus einem bestimmten Grund fürchtet?

Ich krieche unter der Bettdecke hervor, gehe nackt ins Bad, stelle mich unter die heiße Dusche. Verteile die weiche Seife sorgfältig über den ganzen Körper. Schließe die Augen. Genieße es, den intensiven Rosenduft einzuatmen.

Als ich mit meinen Fingern über meinen Magen und Unterbauch fahre, muss ich unwillkürlich an das wilde Treiben mit dem gesalbten Knaben auf dem Fußboden in der Kirche denken.



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