Blinde Sekunden by Rüther Sonja

Blinde Sekunden by Rüther Sonja

Autor:Rüther, Sonja [Rüther, Sonja]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Krimi/Thriller
ISBN: 9783955207175
Herausgeber: dotbooks GmbH
veröffentlicht: 2014-07-08T22:00:00+00:00


45. Kapitel

Einen Monat später

Hamburg, Montag, 8. Februar 2009, 20:13 Uhr

Die Aussprache mit Kathrin lag Monate zurück. Sven dachte kaum noch daran, wie seltsam die Trennung von seiner Frau eigentlich abgelaufen war. Ein ungewöhnlicher Ausgang für eine Geschichte, die unter normalen Umständen in Streit und Zorn hätte enden müssen. Aber sie waren alle ganz ruhig geblieben.

In der letzten Therapiesitzung hatte er es laut aussprechen sollen: „Silvia ist wahrscheinlich tot.“ Ungewöhnliche Methoden, aber am Ende zeigten sie meist Wirkung. Und nachdem er es ausgesprochen hatte, fing er an, auch den Gedanken zuzulassen. Es war weniger das Aufgeben der Hoffnung als vielmehr das Akzeptieren, dass er ohne Silvia weitermachen musste. Etwas, das Thomas inzwischen bestens gelang.

Kathrin traf sich schon seit Dezember mit einem Mann, den sie in der Praxis kennengelernt hatte. Sie wirkte glücklich, und Sven war in gewisser Weise froh, wegen ihr kein schlechtes Gewissen mehr haben zu müssen.

Der Kommissar meldete sich hin und wieder, wahrscheinlich um sicherzugehen, dass er keinen Unsinn anstellte.

Dr. Albers wollte, dass er unter Menschen ging, und er merkte, dass ihm das tatsächlich guttat. All seine Vorsätze, nicht aufzugeben, an Silvias Rückkehr zu glauben und die eigene Schuld nicht zu vergessen, machten schließlich der Vernunft Platz. Das Leben geht weiter.

Er ging öfter in die Eckkneipe, in der er viele alte Bekannte traf, und manchmal war er so betrunken, dass er kaum den Weg nach Hause fand.

An diesem Morgen war er neben Tanja aufgewacht. Nur verschwommen erinnerte er sich an das, was sie in der Nacht getan hatten, und das Gespräch am Frühstückstisch fiel entsprechend angespannt aus. Sie war eine der Frauen, die so ziemlich jeder Mann im Freundeskreis schon einmal im Bett hatte, sogar Thomas – bevor Silvia in sein Leben getreten war. Nun zählte er auch zu ihnen.

Er rieb sich über den Nacken. Ausgerechnet heute.

Als sie endlich gegangen war, musste er zu Dr. Albers. Nachdem er beim letzten Mal versucht hatte, mit Geschichten über Träume von anderen Themen abzulenken, verliefen die Sitzungen nun mit einer gewissen Strenge, die ihm deutlich sagte: Verarsch mich nicht, Junge.

Also fügte er sich schicksalsergeben und versuchte, wieder auf die Beine zu kommen.

Dass er mit Silvia niemals Sex gehabt hatte, fiel Thomas und Kathrin immer noch schwer zu glauben. Eine Liebe, die derart stark war und nicht geradewegs ins Bett führte?

Heute war Silvias Geburtstag. Die letzten Jahre waren sie an diesem Tag erst essen und dann je nach Wochentag tanzen gegangen. Sie liebte es zu tanzen. Es war Beschluss, an diesem Tag genau das zu tun, was Silvia so gemocht hatte, aber er zweifelte inzwischen an diesem Vorhaben.

Er würde Tanja ihnen gegenüber sicher nicht erwähnen. Sie war wie die Bild-Zeitung, die man zu Hause las, während man woanders Artikel aus der Zeit oder dem Abendblatt zitierte.

Tut mir leid, Silvia.

Vor ihm lagen alle Fotos, die er von ihr besaß. Die Angst, sie zu vergessen, wurde von Dr. Albers ebenso therapiert wie seine Schlafstörungen. Er weigerte sich allerdings, Medikamente zu nehmen, was nach Albers’ Einschätzung die Prozesse verlangsamte.

Die Gefühle endeten nun mal nicht einfach. Der Schmerz saß tief, so weit reichte keine Medizin.



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