Bleib uns gesund und behalt uns lieb 02: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946 by Girbig Christine

Bleib uns gesund und behalt uns lieb 02: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946 by Girbig Christine

Autor:Girbig, Christine [Girbig, Christine]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Briefwechsel, Geschichte, Gesellschaft
veröffentlicht: 2013-12-22T00:00:00+00:00


1.Brief Leipzig, den 17.11. 1944

Mein lieber alter Strolch!

Nun bist Du doch schon wieder zwei volle Tage fort, und ich hoffe, daß Du heute gut wieder bei Deiner Stellung gelandet bist. Wie war die Reise? Ist alles glatt vonstatten gegangen? Na, darüber wirst Du mir ja in Deinem nächsten 1. Brief Bericht erstatten. Habt Ihr noch lange auf dem Bahnhof gestanden? Ich hörte, als ich ging, daß auf Eurem Gleis eine Weiche falsch gestellt war, und Ihr deshalb nicht ausfahren konntet. Ich bin dann gleich rüber zur 8, und bei der Abfahrt kam die Schaffnerin und sagte, daß der Leipziger Sender abgeschaltet habe. Wir kamen dann glücklich bis zum Fürstenhof, als Voralarm kam. Abends fährt die Bahn schon bei Voralarm nicht mehr, und wird der gesamte Straßenbahnstrom weggenommen. Wir mußten deshalb auch alle raus und wohl oder übel laufen. Ich bin mit einer jungen Frau gegangen, die in der Könneritzstraße wohnte, und war das gut so. Es war aber auch unheimlich finster. ¾ 9 Uhr war ich dann zu Hause. Die Nacht mit Heidi war ein klein wenig besser als die Nacht vorher. Aber alle Dreiviertelstunden ging es auch aufs Töpfchen. Mit Geschrei natürlich. Aber hinterher schlief sie immer gleich wieder ein. Donnerstag war Mutter bei Tante Anna, und nach Tisch bin ich dann allein zu Muttis Geburtstag, denn Heidi sollte nicht raus. Sie hat zwar geweint und wollte so gern mit und auch mir hat es schrecklich leid getan. Auch Ulli war grenzenlos enttäuscht. Sie hatten alles so hübsch gemacht, und für die Kinder den kleinen Tisch mit Blumen geschmückt und kleine Hörnchen gebacken. Um 9 Uhr abends war ich dann auch zu Hause. Die Nacht war wieder ein bissel schlechter. Diesmal machten ihr die Wunde und ihr klein Lulu zu schaffen. Heute tagsüber ging es, aber eben hat sie wieder bitterlich geweint. Mutter hat für Vater einen Kuchen gebacken, aber Vater hat geschrieben, daß er nun erst morgen zum Sonnabend kommt um 2 Uhr, und soll ich ihn abholen. Heute Vormittag haben wir auch unsere restlichen Kohlen bekommen. Wurden aber auch nur vors Haus geschüttet und mußten wir sie selber reintragen. Jetzt habe ich geplättet und mein Essen für morgen gemacht, und nun ist es 10 Uhr und ich bin schrecklich müde. Hoffentlich schläft Heidi ein bissel besser. Letzte Nacht hat sie von Anfang an mit in meinem Bett gelegen. Morgen Sonnabend müßte nun nochmal eine Woche zuvor sein, und müßtest Du nochmal klingeln. Wir wollen dankbar sein, kleiner Mann, für die drei schönen Tage. Nur schade, daß Du durch Heidis Erkältung nicht ganz so auf Deine Kosten gekommen bist, und vielleicht auch durch Deinen Schnupfen. Aber für mich war es mal wieder so schön, Dich mal hier gehabt zu haben, daß man schon eine Zeit davon zehren kann. Habt Ihr in Hagen und Meinerzhagen recht viel Alarm gehabt oder war auch Ruhe wie hier? Heute habe ich auch das Geld für Gretel weggeschickt. Und nun will ich mein erstes Geschreibsel beenden, und hoffe daß Dich meine Zeilen bei guter Gesundheit antreffen, und Du Dich nicht noch unterwegs noch mehr erkältet hast.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.