Bis ich bei dir bin: Roman (German Edition) by Hainsworth Emily

Bis ich bei dir bin: Roman (German Edition) by Hainsworth Emily

Autor:Hainsworth, Emily [Hainsworth, Emily]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: E-Books der Verlagsgruppe Random House GmbH
veröffentlicht: 2013-09-15T23:00:00+00:00


ACHTZEHN

Es ist noch nicht richtig dunkel, als ich am Abend wieder zu Vivs Haus komme, aber ich habe es nicht ausgehalten, länger zu warten als unbedingt nötig. Ich husche über den Rasen. Es brennt kein Licht bei ihr, was jedoch nichts zu sagen hat, ich muss nur das richtige Signal klopfen.

»Psst!«

Ich stoppe vor der Trauerweide und lausche. Die Stille lastet in der Luft.

»Hallo?«, flüstere ich.

Meine Augen haben sich noch nicht ganz an die Dunkelheit im Garten angepasst, weshalb ich erschrecke, als die hängenden Zweige sich vor mir teilen wie ein Vorhang.

»Du bist wiedergekommen«, wispert Viv.

Ich sauge ihren Anblick in mich auf und lasse meinen Blick auf ihren tiefgründigen braunen Augen ruhen.

»Hab ich doch gesagt.«

Sie kommt mir immer noch wie eine Erscheinung vor, und ich will die Hände nach ihr ausstrecken und sie zur Vergewisserung berühren, zögere jedoch. Die kurzen Locken, die ihr Gesicht statt der langen Mähne einrahmen, erinnern mich daran, dass ich für sie auch anders aussehen muss. Ich denke an den kräftigen, selbstbewusst grinsenden Kerl in dem Jahrbuch und frage mich, ob ich überhaupt noch irgendwelche Ähnlichkeit mit ihm habe. Seit ich nicht mehr spiele, habe ich schätzungsweise fünfzehn Kilo abgenommen, aber es liegt nicht nur am Gewicht und den Muskeln. Er hatte noch etwas anderes an sich. So einen Ausdruck in den Augen, den ich im Spiegel nicht erkennen kann. Er war ganz klar ein Siegertyp, während ich …

Ich fahre mir nervös mit der Hand durch die Haare und wünschte, ich hätte sie in letzter Zeit mal schneiden lassen. Am Ende hält sie mich doch noch für einen Zombie.

Vorsichtig trete ich zu ihr unter das Weidendach. Die biegsamen Zweige reichen fast bis zum Boden, und es ist noch dunkler hier in ihrem Schutz. Viv weicht bis an den Baumstamm zurück und starrt mich an, ihr Atem geht flach und unregelmäßig.

»Bist du nervös?«, frage ich.

»Nein«, kommt die zu rasche Antwort.

Ich strecke die Hand nach ihr aus.

»Es ist alles in Ordnung.«

Sie schwankt.

Verwundert lege ich den Kopf schräg. So hat sie gestern Nacht nicht reagiert.

»Viv, ich bin es. Wovor hast du denn Angst?«

Sie hält sich an dem Baum fest, als wäre er eine Art Schutzschild.

»Warum bist du wirklich hier? Bist du zurückgekommen, um mich zu verfolgen?«

»Nein, natürlich nicht. Viv, ich bin kein Geist.« Wieder greife ich nach ihrer Hand. Sie will sie mir entziehen, aber ich verschränke unsere Finger und beuge mich nahe zu ihr. »Ich fühle mich lebendig an, oder?«

Ihr Mund ist nur Zentimeter von meinem entfernt. Unsere Herzen trommeln einen Rhythmus, der in der Luft vibriert. Schließlich entspannt sich ihre Hand in meiner, auch wenn wir beide nach wie vor den Atem anhalten. Sie schließt die Augen und seufzt, als wir uns küssen. Ich drücke sie leicht an den Baumstamm und erforsche sie mit meinem Mund neu. Unsere Kleider sind auf einmal zu dick und im Weg. Ich mache kurz die Augen auf, um ihr heimlich ins Gesicht zu sehen. Ihre langen Wimpern flattern über den Wangenknochen, wie stets, wenn sie sich vor etwas fürchtet.

Ich ziehe mich zurück.



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