Bis Sansibar und weiter by Jürgen Banscherus

Bis Sansibar und weiter by Jürgen Banscherus

Autor:Jürgen Banscherus
Die sprache: de
Format: mobi, epub
ISBN: 9783641014384
Herausgeber: PeP eBook
veröffentlicht: 2009-02-02T23:00:00+00:00


Auf dem Rückweg nach Hause fuhr ich beim Kapitän vorbei. Er saß auf seinem Segelboot, hatte eine Stehlampe eingeschaltet und las im Schein der starken Glühbirnen in einem Buch. Es war Herbst und wir hatten höchstens zehn Grad. Fror der Mann denn nicht?

Ich hielt an und stieg vom Rad. »Hallo!«, rief ich. Keine Ahnung, wieso ich das tat. Mir war einfach danach.

Er schaute von seinem Buch hoch. Auf seiner Furcht erregenden roten Nase saß eine ebenso Furcht erregende schwarze Brille. »Was willst du?«, rief er.

»Ist Ihnen nicht kalt?«

»Wer Kap Hoorn umrundet hat, friert nicht!«, rief er zurück.

»Kap Hoorn? Mit der Annemarie?«

Der Kapitän wuchtete sich aus seinem Liegestuhl hoch und stieg langsam die Leiter hinunter. »Willst du mich vergackeiern?«, fragte er, als er vor mir stand. Ich musste den Kopf in den Nacken legen, so groß war er. »Weißt du überhaupt, was Kap Hoorn ist?«

»Die Spitze von Südamerika«, antwortete ich. »Dahinter kommt nur noch Wasser. Und der Südpol.« Tja, gelernt ist gelernt! Der Typ konnte ja nicht wissen, dass Erdkunde mein zweites Lieblingsfach ist.

»Donnerwetter!« Der Kapitän klatschte in die Hände. »Du kennst dich aus, was? Und weißt du auch, wie es da unten zugeht?«

Ich zuckte mit den Schultern. »Windig.«

»Windig?«, brüllte er.

»Wahrscheinlich gibt’s da ziemlich hohe Wellen«, antwortete ich schnell.

Der Kapitän starrte mich grimmig an. »Ziemlich hohe Wellen?«, schnauzte er. »Das sind Monster, Kleiner! Dagegen ist mein Haus ein Furz! Hörst du? Fliegenschiss!«

»Jaja«, versuchte ihn zu beruhigen. »Fliegenschiss.«

Doch der Kapitän war noch nicht fertig. »Die Annemarie ist ein erstklassiges Boot, das glaub mal ja. Aber die Dame ist für eine richtige Hochseejacht ein bisschen zu lütt. Mit der Annemarie kannst du in Holland segeln. Oder auf dem Binsensee. Aber am Kap Hoorn? Da reicht eine einzige Welle und die Annemarie rauscht ab auf den Meeresgrund.«

»Und Sie mit«, sagte ich.

»Genau.« Mein Verständnis schien ihm gut zu tun. Mein Verständnis tut den meisten Leuten gut.

»Warum liegt die Annemarie eigentlich bei Ihnen im Garten?«, fragte ich.

»Ich wollte sie mal verkaufen«, antwortete er. »Ist lange her. Hab klar Schiff gemacht und sie im Garten aufgebockt. Dann ist der Käufer nicht gekommen, so ein verdammter Badegast...«

»... und jetzt steht sie immer noch da«, vollendete ich seinen Satz. Ich bin nun mal ein hilfsbereiter Mensch.

»Du sagst es«, murmelte er. Plötzlich blitzte er mich wütend an und schimpfte los: »Du bist ein ganz Schlauer, was? Ein Klugscheißer, was? Verschwinde! Aber dalli!«

Damit stapfte er zu seinem Schiff zurück.

»Was hat eigentlich der Doktor gesagt?«, rief ich hinter ihm her.

Der Kapitän reagierte nicht, ich hätte es mir denken können. Er stieg auf sein Schiff, setzte die Brille auf und versenkte sich wieder in sein Buch.

Er hatte die Annemarie also verkaufen wollen. Stimmte das wirklich? Und würde er es wieder tun? Ich kannte mich mit Segelbooten nicht aus, nicht die Bohne. Aber dass die Annemarie in einem fürchterlichen Zustand war, sah ein Blinder. Von wegen erstklassig! Wenn mich nicht alles täuschte, würde man eine Menge Geld und noch mehr Zeit hineinstecken müssen, um sie wieder aufzumöbeln. Viel konnte der Kapitän jedenfalls nicht verlangen.

Zu Hause warteten Mama und meine Großmutter bereits mit dem Essen auf mich.



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