Binti 2 Heimat by Claudia Kern

Autor:Claudia Kern
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Cross Cult
veröffentlicht: 2017-11-15T00:00:00+00:00

NACHTMASKERADE

Stunden später wachte ich auf. Mein Gesicht war von Tränen, getrocknetem Otjize und Rotz verkrustet. Ich ging ins Badezimmer, putzte mir die Nase und betrachtete mich im Spiegel. Alter Otjize blätterte von meinen Wangen und meiner Stirn ab und hinterließ Stellen sauberer, brauner, bloßer Haut. Ich musste alles entfernen und neu auftragen. Ich würde mich wieder wie ich selbst fühlen, das wusste ich. Das Wissen, dass mein aktuelles Gemisch Otjize aus dem Lehm eines anderen Planeten bestand, gab mir keinen Anlass zu Bedenken. Ich starrte mein abgespanntes Gesicht im Spiegel an und warf dann einen Blick auf das Fenster an der Rückseite des Hauses. Mir fiel ein, dass Okwu dort draußen war.

Ich ging auf Zehenspitzen die Treppe hinunter und spähte in den Hauptraum. Einige waren immer noch wach und unterhielten sich leise in einer Ecke. Meine Schwester Vera war eine von ihnen. Viele lagen zusammengerollt auf flachen Kissen und Matten. Ich schlich mich aus der Hintertür und wäre beinahe in Okwu hineingerannt.

'Es ist nicht gut gelaufen', sagte er.

'Nein.' Ich ging um ihn herum, um sein mit Gas gefülltes Zelt zu betrachten. Der hohe, aufgeblähte Umriss des Zelts erinnerte mich an einen riesigen Medusen. Vielleicht hatte mein Vater das im Sinn gehabt, als er es aufgebaut hatte.

'Dein Vater kam heraus, um nach mir zu sehen', sagte Okwu. 'Er wirkte verstört.'

Ich grunzte, sagte aber nichts weiter darüber. 'Willst du den See sehen?', fragte ich.

Okwu stieß eine große Gaswolke aus. Ich hustete und wedelte mit den Händen. 'Ja!' Seine Stimme war so laut, dass die Vibration in meinem Kopf schmerzte.

Mein Heimatdorf Osemba war eine Farbpalette aus staubigen Brauntönen – von den staubigen Straßen bis zu den Häusern aus Steinen und Sandziegeln. Die ältesten Häuser waren – wie die Wurzel mit ihren vielen, traditionell kegelförmigen Dächern – Gebilde aus verschiedenen, soliden Steinstrukturen. Die Wurzel stand am äußersten Rand von Osemba. Ungefähr eine Meile nach Westen drohten die Sanddünen, das lehmreiche Land wieder zurückzuerobern. In der entgegengesetzten Richtung, entlang der unbefestigten Hauptstraße, vorbei an anderen Häusern und einem kleinen Bereich, der dem westlichen Souk am Morgen vorbehalten war, lag der See. Der Rest von Osemba breitete sich an den Ufern des Sees aus.

Okwu und ich gingen die Straße in der Dunkelheit der tiefsten Nacht entlang. Wir Himba sind ein Volk der Sonne. Wenn sie untergeht, ziehen wir uns zurück. Die Nacht gehört typischerweise dem Schlaf, der Familie und der Einkehr. Deshalb hatten Okwu und ich die Straße für uns allein, und ich war froh darüber. Ich benutzte mein Astrolabium, um uns den Weg zu beleuchten. Ich warf Okwu immer wieder Blicke zu und bemerkte, wie er sich hierhin und dorthin drehte, während er an meiner Seite schwebte. Er sah sich Osemba an und war der erste Meduse, der das tat – egal, ob in Friedenszeiten oder im Krieg.

'Ich kann Wasser riechen', sagte Okwu ein paar Minuten später.

'Er ist genau vor uns', sagte ich. 'Die Tische und hölzernen Trennwände sind für den Souk, der hier jeden Morgen stattfindet. Das ist ähnlich wie ein Marktplatz auf Oomza, aber natürlich nur mit Menschen.

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