Bestialisch by J.A. Kerley

Bestialisch by J.A. Kerley

Autor:J.A. Kerley [Kerley, J.A.]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2012-05-06T16:00:00+00:00


KAPITEL 20

Um sieben Uhr in der Früh saß ich an Alice Folgers Küchentisch, trank gut gelaunt Kaffee und wurde langsam munter. Als Alice sich hinter mir räusperte, drehte ich mich um. In einem dicken weißen Frotteebademantel stand sie im Türrahmen und schaute mich halb peinlich berührt, halb um Verzeihung bittend an. Ihre Miene wirkte angespannt. Sie hätte auch so tun können, als wäre sie fröhlich und unverzagt, eine übliche Strategie, wenn man morgens jemandem gegenüberstand, mit dem man überraschend die Nacht verbracht hatte, eine Nacht, in der die Konversation eher einsilbig gewesen war.

Wie ein Indianer im Spielfilm hielt ich die Hand hoch. Aber statt Hugh sagte ich: »Tu’s nicht.«

»Was soll ich nicht tun?«

»Rechtfertige dich nicht. Leg deine Scheu ab. Sag nichts, was dir nicht entspricht, denn du bist ganz zauberhaft.« Ich zeigte auf die Kaffeekanne. »Lust auf einen Schuss Koffein, Wetterfrosch?«

Ihre Verlegenheit wich und sie schmunzelte. Das Schmunzeln verwandelte sich in ein schiefes Grinsen, und dann grinste sie plötzlich bis über beide Ohren und ließ den Bademantel von den Schultern gleiten.

»Der Kaffee kann noch warten.«

Eine halbe Stunde später setzten wir uns wieder an den Küchentisch. Sie toastete Bagels, holte Lachs und Frischkäse und wir frühstückten wie eingefleischte New Yorker. Sie leckte ihren Daumen ab, an dem ein Stück Lachs hing.

»Um Gerede zu vermeiden, sollten wir nachher besser nicht gemeinsam auf dem Revier eintrudeln.«

»Ich werde schnell ins Hotel fahren, duschen und mich umziehen. Ich habe mir ein paar Gedanken über Ridgecliff gemacht und würde heute gern mit euch darüber reden.«

»Ich hatte gestern den Eindruck, du hättest einen Durchbruch erzielt, als wäre dir plötzlich etwas eingefallen, das uns mit Ridgecliff weiterhelfen könnte.«

Ich wandte den Blick ab. »So kam es mir zumindest vor.«

»Nur weiter so«, sagte sie und küsste mich auf die Stirn.

*

Im Osten ging eine strahlende Sonne am blauen Himmel auf, als Harry Nautilus auf die weiße Sandzufahrt von Evangeline Prowse’ Ferienhaus fuhr. Er hatte sich gestern wie ein Idiot aufgeführt und sich von Jeremy Ridgecliffs Poster so sehr überrumpeln lassen, dass er vergessen hatte, davon ein Foto zu machen. Carson wollte das bestimmt sehen. Und außerdem musste er verhindern, dass ein Außenstehender das Poster zu Gesicht bekam.

Vielleicht wirkte Prowse’ und Ridgecliffs Beziehung auf den ersten Blick befremdlich, aber nach zweiundzwanzig Jahren Polizeidienst war Nautilus zu der Einsicht gelangt, dass in Herzensangelegenheiten nichts unmöglich war.

Als er Prowse’ Cottage betrat, kam ihm die Atmosphäre im Haus noch schauriger vor als bei seinem letzten Besuch. Da war irgendetwas, das ihn hochgradig irritierte. Er öffnete einen Schrank neben dem Eingang und fand das schwarz glänzende Schild, von dem Helen Pappagallos gesprochen hatte. BITTE NICHT STÖREN, stand in roten Lettern darauf.

Er schloss die Schranktür und ging in das Arbeitszimmer, wo er das Ridgecliff-Poster abhängte und zusammenrollte. Innerlich war er immer noch in erhöhter Alarmbereitschaft, als höre er ganz in der Ferne eine Sirene.

Nautilus trat hinter Prowse’ Schreibtisch und warf einen Blick aus dem Fenster. Als er sich umdrehte, merkte er, dass das rote Lämpchen ihres Anrufbeantworters blinkte, was seine Unruhe noch verstärkte. Den Grund dafür kannte er nicht, aber er war dankbar, dass er so reagierte.



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